Der Tabellendritte bringt sich für das Spiel um die Vizemeisterschaft in Stellung
TSV Abtswind – FC Coburg 7:1 (3:1)
Wer am Samstagabend in den Nachthimmel über Abtswind blickte, der konnte ein prächtiges Schauspiel verfolgen. Drei Stunden lang brannte am Firmament ein riesiges Feuerwerk ab – in den buntesten Farben, kuriosesten Formen und lautesten Geräuschen. Ein Feuerwerkshersteller hatte das weithin sichtbare Spektakel veranstaltet, um Kunden sein Repertoire vorzuführen.
„Feiert man so in Abtswind einen 7:1-Sieg?“, wollte ein auswärtiger Fan wissen, der in den sozialen Medien ein Video von der scheinbar unaufhörlichen Pyroschau entdeckt hatte, um sogleich eine weitere Frage hinterherzuschieben: „Was passiert dann erst beim Aufstieg?“ Gemach, gemach. Noch ist es nicht so weit. Noch verbietet sich eine solche Frage. Vier Spiele vor Rundenende steht der TSV Abtswind aussichtsreich auf Rang drei. Zwei Zähler trennen das Team von der SpVgg Jahn Forchheim, die derzeit den Relegationsplatz innehat. Nächsten Samstag kommt es zum direkten Aufeinandertreffen, zur Kraftprobe um die Vizemeisterschaft, zum ultimativen Showdown. Mit einem Sieg ziehen Abtswinder am Konkurrenten vorbei.
Mit dem Kantersieg über den FC Coburg schossen sie sich schon mal auf das Spitzenspiel ein. Die Vielzahl der Treffer, in dieser Saison wahrlich keine Abtswinder Seltenheit, glich einem Feuerwerk, das nicht wie am späten Abend 180, sondern 90 Minuten dauerte. Trainer Petr Skarabela gefiel zwar das Torfestival, welches das Publikum entzückte, doch der 49-Jährige war nicht mit allem restlos zufrieden. Als Übungsleiter mit kritischem Blick auf das Geschehen stellt Skarabela eben andere Ansprüche an das Spiel seiner Mannschaft als der normale Zuschauer. „Spielerisch war das heute eine Stufe schlechter als zuletzt“, war er sich sicher. Ihm fehlte im Gegensatz zum überzeugenden Heimauftritt gegen Unterpleichfeld (4:2) fünf Tage zuvor die Präsenz im Spiel nach vorne und dass die Angriffe nicht so zahlreich kamen. Dafür war diesmal so gut wie jeder Schuss ein Treffer.
Wobei die Mehrzahl der Tore gar nicht mit dem Fuß erzielt, sondern per Kopf. Während Sven Gibfried und Pascal Kamolz ja durchaus für ihre Fertigkeiten in der Luft bekannt sind, galt das bisher nicht für Philipp Hummel und Jonas Wirth. Doch gegen Coburg nickten selbst die beiden schmächtigen Akteure erfolgreich ein. „Wir haben donnerstags eine Übung, bei der wir eine halbe Stunde lang von allen Seiten flanken“, gab Petr Skarabela einen Einblick in die Trainingsinhalte, um schmunzelnd festzustellen. „So wachsen uns Kopfballungeheuer wie Jonas Wirth heran.“ Vieles mag einstudiert und verinnerlicht sein, doch muss Skarabela dieser Tage auch ein Meister der Improvisation sein. Seit Wochen tüftelt der Fürther Ex-Profi an seiner Aufstellung, die unter der anhaltenden Verletztenmisere leidet.
Seit Ostern gehört Michael Herrmann zum Abtswinder Lazarett. Der Kapitän brach sich beim 2:0-Sieg in Bamberg eine Rippe, lief gegen Unterpleichfeld mit Schmerzen auf und blieb auf ärztlichen Rat hin dann doch vernünftig. Der 25 Jahre alte Rechtsverteidiger wird der Mannschaft bis zum Saisonende fehlen. Obendrein musste Peter Mrugalla wegen privater Verpflichtungen verzichten. Dafür kehrten Pascal Kamolz und Przemyslaw Szuszkiewicz in die Startelf zurück. Dort fand sich überraschenderweise auch Axel Zehnder wieder – selbst zu seiner eigenen Verblüffung. Der 27-Jährige war bis 2013 Stammspieler in der Landesliga, ehe er für Studium und Beruf nach Wolfsburg zog. An den Wochenenden pendelte er stets in die Heimat, um ohne großes Training im Reserveteam zu spielen.
Die Abtswinder Sven Gibfried (von rechts), Carl Murphy und Jürgen Endres machen gemeinsame Sache gegen den Coburger Daniel Puff.
Zwei Tage vor der Partie gegen Coburg klopfte Abtswinds Manager Christoph Mix bei Zehnder an und bat um seine Hilfe in der Not, „weil wir personell aus dem letzten Loch pfeifen.“ Zehnder sagte zu – ohne jede Vorbereitung und ohne überhaupt den Trainer zu kennen. „Auf der linken Seite hat er seine Aufgabe richtig gut gemacht“, sagte Skarabela nach dem Schlusspfiff. Im Mittelfeld sollte Zehnder seine Position einnehmen. Doch nicht immer hielt er sich an die Vorgabe. Stattdessen wagte er sich weiter nach vorne. „Das hat trotzdem gepasst, oder?“, fragte Zehnder hinterher den Trainer. Die Antwort hatte das Abtswinder Eigengewächs auf dem Feld selbst gegeben, als er weit aufgerückt von der Grundlinie die Vorlage für Philipp Hummels 4:1 in der 50. Minute lieferte, das Coburg endgültig den Willen brach.
Trotz des ausufernden Ergebnisses gab es für die Gastgeber den einen kritischen Moment, in dem die Begegnung einen anderen Verlauf hätte einschlagen können. Nach einem Schuss von Lukas Mosert aus dreißig Metern zum 1:1 (17. Minute) fasste auch Carl-Philipp Schiebel den Entschluss weit jenseits des Strafraums abzuziehen. Der 40-Meter-Freistoß klatschte, getrieben vom Wind, an die Latte. Daniel Sam nahm den Nachschuss und scheiterte an Schlussmann Patrick Hefner (21.). „Wären wir in dem Moment in Rückstand geraten, hätten wir Probleme bekommen“, sagte Skarabela. Auf den Schreck reagierte Abtswind im Stile einer Spitzenmannschaft. Ein Flankenlauf von Przemyslaw Szuszkiewicz landete auf Philipp Hummels Kopf, und der Ball fand seinen Weg zum 2:1 ins Netz (27.). Wie gegen Unterpleichfeld gelangen dem Winterzugang zwei Treffer.
Als Abtswind in der Schlussphase aufgrund seiner Wechsel umstellte, ging Hummel gar in die Abwehr. „Philipp spielt in den letzten drei Wochen in überragender Form. Er hat den Anschluss gefunden“, lobte der Trainer. Für Coburgs Matthias Christl hatte sich indessen bewahrheitet, was er nach seinen Beobachtungen befürchtet hatte. „Das Spiel der Abtswinder gegen Unterpleichfeld hat mir bisschen Angst gemacht“, gab der Gästetrainer zu. „Das sah nach attraktivem Offensivfußball aus, nach Petr-Skarabela-Fußball.“ Mag sein, dass seine Schützlinge mit den vielen jungen Spielern aus dem eigenen Nachwuchs darauf eingestellt waren, doch bei Standardsituationen und langen Bällen sahen sie besonders schlecht aus. Symptomatisch für Christl war das Tor zum 7:1-Endstand in der 88. Minute.
Eine Slapstick-Einlage, wie der Trainer fand, bei der zwei Mann inklusive Torwart unter dem Ball durchsprangen und Pascal Kamolz ins leere Tor einschob. Ein solches Schützenfest wird es gegen Forchheim wohl nicht geben. Petr Skarabela blickte nach dem sechsten Sieg in Serie voraus: „Die Forchheimer stehen als Bayernliga-Absteiger unter Druck. Sie müssen wieder aufsteigen. Wir wollen vorne mitspielen und den Kampf um Platz zwei interessant machen. Wir sind in dem Spiel nicht der Favorit, aber bei unserer Serie muss Forchheim gewarnt sein. Wir wollen den Big Point machen und müssen auf Sieg spielen. Alles Unmögliche kann passieren. Wir sind für jede Überraschung gut, weil wir derzeit unbekümmert spielen.“ Gut möglich, dass auch Axel Zehnder dann wieder mit von der Partie ist.
Michael Kämmerer
Einer von sieben Gegentreffern für den Coburger Schlussmann Jannik Knoch.
Das Spiel in der Statistik
TSV Abtswind: Patrick Hefner – Carl Murphy (65. Julian Beßler), Sven Gibfried, Adrian Graf, Przemyslaw Szuszkiewicz – Jürgen Endres, Jonas Wirth, Philipp Hummel, Axel Zehnder (65. Andreas Herrmann) – Steffen Barthel (82. Jona Riedel), Pascal Kamolz.
FC Coburg: Jannik Knoch – Leonhard Scheler (65. Lukas Riedelbauch), Carsten Hahn, Daniel Kimmel, Adrian Guhling – Lukas Mosert (82. Christian Schneider) – Niklas Ehrlich (82. Fabian Carl), Daniel Puff, Eric Heinze, Carl-Philipp Schiebel – Daniel Sam.
Schiedsrichter: Christian Tauscher (Nürnberg); Assistenten: Tamer Pineci (Nürnberg), Alexander Glasow (Deutenbach).
Zuschauer: 150.
Gelbe Karte: Lukas Mosert (Coburg).
Tore: 1:0 Sven Gibfried (6.), 1:1 Lukas Mosert (17.), 2:1 Philipp Hummel (27.), 3:1 Jonas Wirth (40.), 4:1 Philipp Hummel (50.), 5:1 Steffen Barthel (57.), 6:1 Pascal Kamolz (64.), 7:1 Pascal Kamolz (88.).
Stimmen zum Spiel
Petr Skarabela (Trainer TSV Abtswind): „Fußballerisch haben wir nicht so sehr geglänzt wie gegen Unterpleichfeld. Beim Stand von 1:1 hatten wir Glück, dass der Gegner nicht durch einen Schuss aus vierzig Metern in Führung geht. Wenn wir in dem Moment in Rückstand geraten wären, hätten wir Probleme bekommen. Alles, was von uns aufs Tor ging, war drin. Nach unserem vierten Treffer haben wir die Partie routiniert heruntergespielt. Ich bin froh, dass wir Philipp Hummel haben. Er ist momentan einer unserer Besten. Gefehlt hat mir ein wenig, dass wir im Spiel nach vorne nicht so präsent waren. Die Angriffe waren nicht so zahlreich. Wir sind immer in der Lage, die Punkte einzufahren, vor allem daheim. Es schadet nicht, auch mal einen ruhigen Nachmittag zu haben. Sieben Tore sind bravourös. Wenn man unsere Aufstellung und unsere Bank betrachtet, ist das umso beachtlicher. Ich hoffe, dass das Spielerische beim nächsten Mal wieder deutlicher zum Vorschein kommt. Denn dann kommt mit Forchheim ein ganz anderer Gegner auf uns zu.“
Matthias Christl (Trainer FC Coburg): „Wir sind hierher gefahren in der Hoffnung, etwas mitzunehmen. Das war kein Zeichen von Überheblichkeit oder Arroganz. Wir wussten auch, dass wir derzeit eine schwere Phase durchmachen und unser Blick in der Tabelle nach unten gerichtet ist. Zwei, drei Standardsituationen haben uns auf die Verliererstraße gebracht. Ich möchte meiner Mannschaft das Engagement nicht absprechen. In der Höhe ist die Niederlage um das ein oder andere Tor zu hoch ausgefallen. Uns fehlt es an der Routine und an der Cleverness. Wir sind heute an unserer jugendlichen Unbekümmertheit gescheitert. Das war heute in allen Mannschaftsteilen deutlich zu sehen. In der Halbzeit ist es in der Kabine laut geworden. Das war eine positive Lautstärke, um die Mannschaft aufzurichten und anzutreiben. Wenn wir besser verteidigt hätten, hätte es deutlich knapper ausgehen können. Zumindest hat sich mein Team nicht hängenlassen. Wir glauben weiterhin an den Klassenerhalt. Gegen Höchberg haben wir das erste von vier Endspielen.“
Axel Zehnder (Abtswinder Nothelfer): „Im Mai 2016 habe ich zum letzten Mal in der Landesliga gespielt. Diesmal war es wieder eine Ad-hoc-Aktion. Vergangenen Donnerstag saß ich am Schreibtisch, denke an nichts Böses. Da erreichte mich ein überraschender Anruf von Christoph Mix. Er hat mich gefragt, ob ich von Beginn an in der ersten Mannschaft spielen kann. Solche Anrufe sind selten, ich nehme sie aber gerne an. Sie sind das Highlight einer Saison für mich. Wo Not am Mann ist, springe ich ein. Kurios: Der Trainer hatte mich anfangs gesiezt, weil er mich nicht kannte. Ich möchte mich für das Vertrauen der Verantwortlichen bedanken. Bei meiner Auswechslung nach 65 Minuten habe ich gemerkt, wo die Unterschiede zwischen der Kreisliga und der Landesliga liegen, zumal ich ja nur einmal in der Woche bei der zweiten Mannschaft trainieren kann. Przemyslaw Szuszkiewicz hinter mir, Jürgen Endres und Jonas Wirth neben mir – sie alle laufen so viel und machen dadurch vieles wett. Es hätten daher viele auf meiner Position spielen können.“
Der Abtswinder Przemyslaw Szuszkiewicz (rechts) nimmt es mit Coburgs Niklas Ehrlich auf.
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