Abtswind gewinnt den Kellergipfel

TSV Abtswind II – SG Schleerieth 2:0 (0:0)

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November – im meteorologischen Fachjargon auch der „batschige“ Monat genannt – irgendwie nicht nur gefühlt Sibirien, neben Tristesse auch grau sowie wenig einladendes, fahlgrünes Geläuf auf dem Nebenplatz der Kräuter Mix Arena. Zum Ende eines langen Sportjahres empfängt die Reserve den Tabellenletzten zum Kellergipfel. Jedenfalls im Abtswinder Lager plante man mit einer ganz anderen Tabellensituation. Mehr so Sonnenschein auf den Dolomiten, als Staublunge in Zeche 17. Aber da muss man durch. Irgendwie.

Jeder hat so seine eigenen Problemzonen. Abtswind hadert mit einer latenten Ergebniskrise und Schlerieth gleich mit der Gesamtsituation. „Vorne fehlt uns die Durchschlagskraft“, berichtet Bernd Barget. Schleerieths Coach weiß um die limitierten Mittel, die ihm zur Zeit zur Verfügung stehen: Viele Verletzte, gerade aus der Offensivfraktion, abgewanderte Akteure, Studenten im Ausland, dünnen den Kader gewaltig aus. Sein ausgefeilter Matchplan ist deshalb ebenso simpel, wie aus der Not heraus diktiert: Betonmischer vors eigene Tor und alles auf Defensive. „Gegen Abtswind können wir nur über den Kampf kommen“, erklärt Barget.

Einige hundertprozentige Abtswinder Torchancen später feiert die Null lustig Hochsaison. Abtswinds Übungsleiter tigert aufgekratzt die Seitenlinie entlang. „Allein Aljoscha Keßler stand zwei Male goldrichtig“, schildert Velibor Teofilovic. „Im Training macht er die Dinger mit verbundenen Augen. Im ersten Durchgang stand halt immer irgendein Körperteil zwischen ihm und dem Torerfolg. Und den Rest pariert der Keeper.“ Zwei male fällt Abtswinds Mittelstürmer der Ball vor die Füße. Jeweils in Spuckweite zum gegnerischen Kasten. Und beide Male behält Schleerieths Torwart die Oberhand.

Torlos in die Kabine. Und im Kopf flimmern wirre Bilderfolgen ab, von einer einzigen Unaufmerksamkeit, die sich rächt. Die zum Gegentor führen kann, und in den letzten vier sieglosen Partien auch zielgenau ins Abtswinder Schwarze traf. Trainer Velibor Teofilovic beruhigt, gibt die Losung aus, den einmal eingeschlagenen Matchplan konsequent zu Ende zu spielen. „Irgendwann ist der Ball drin“, meint Abtswinds Coach. „Das Wie interessiert mich dann nicht mehr.“

In der zweiten Hälfte irrlichtern immer mehr Fragezeichen umher. Wo ist die Lücke?Pausenlos rennt Abtswind gegen Schleerieths doppelwandige Fünferketten an. Vorne hilft Schleerieths Übungsleiter Bernd Barget nicht einmal mehr der liebe Gott. Selbst Marco Schraut, gelernter Defensiver, heute jedoch nominell als einzige Spitze aufgeboten, hakt sich beim kollektiven Riverdance mit Stollenschuh brav ein. Entlastung, wenige wohlige Sekunden Verschnaufpause, verschafft lediglich ein langer Ball mit Gottvertrauen, oder der Unparteiische, der einmal mehr einen Abtswinder Angreifer aus dem absoluten Halteverbot zurückpfeift. Das geflügelte Sprichwort von der einseitigen Partie, dem „Spiel auf ein Tor“, ist Fleisch geworden und röstet spannungsgeladen langsam dem Garpunkt entgegen.

Irgendwann ist selbst Torwart Christian Aumueller machtlos. Abtswinds Andreas Herrmann tankt sich brasilianisch bis in den Strafraum hinein. Ein Zinedin Zidane Gedächtnis Skill später knallt der die Pille aus spitzem Winkel aufs Gästetor. Schleerieths Keeper schildert die Szene aus seinem Blickwinkel: „Der Spieler schießt von der Seite aufs Tor. Ich komme gerade noch mit einer Hand hin, kann ihn aber nicht gezielt nach Außen abwehren. Der Ball fällt Abtswinds gutem Rechtsaußen vor die Füße und der schiebt ihn nur noch rein.“ Jona Riedel steht am rechten Fleck und trifft zur überfälligen Führung.

Wenige Minuten vor dem Ende macht auch Aljoscha Keßler endlich sein Tor. Eine punktgenaue Flanke von Jona Riedel köpft Abtswinds Mittelstürmer aus kurzer Entfernung über die Linie. Der Drops ist ausgezuzelt. Und kurz darauf hat Schiedsrichter Christian Grieninger offensichtlich genug gesehen. Ohne großes Klimbim beendet er einen klassischen Novemberkick. Es ist wunderschön, wenn man seine Glieder wieder spürt.

Abtswind gewinnt den Kellergipfel und schiebt eine Nase gerade so über den Rand. Das Restprogramm im Jahr 2016 heißt Essleben (A) und Stammheim (H). Zwei anspruchsvolle Aufgaben für die Landesligareserve. Schleerieth hingegen taumelt angeschlagen der Winterpause entgegen. „Jetzt geht es noch gegen Altbessingen und Essleben. Das sind schon ein paar schöne Brocken“, meint Bernd Barget und zuckt ergeben mit den Schultern „Da müssen wir irgendwie durch.“

Matthias Ley

Das Spiel im Überblick:

TSV Abtswind II: Eduard-Alin Wellmann – Michael Rügamer, Christoph Hoffmann, Daniel Kaminski, Markus Golombek – Eric Köhler, Sven Gibfried – Jona Riedel, Andreas Herrmann, Patrick Hock – Aljoscha Keßler. Einwechselspieler: Mladen Grujic, Christoph Kniewasser, Manuel Pauly, Maximilian Heß, Velibor Teofilovic.
SG Schleerieth: Christian Aumueller – Sebastian Fischer, Jonas Schmittfull, Matthias Pfeuffer Roman Jakubowski, Sven Ludwig – Simon Bechtold, Frank Metzger, Marcel Treutlein, Andreas Pfeuffer – Marco Schraut. Einwechselspieler: Fabian Schmittfull, Michael Goebel, Marcel Katzenberger, Nico Treutlein.
Schiedsrichter: Christian Grieninger
Zuschauer: ca. 80
Gelbe Karten: Andreas Herrmann, Eric Köhler (TSV Abtswind II) – Matthias Pfeuffer, Sven Ludwig, Jonas Schmittfull (SG Schleerieth)
Tore: 1:0 Jona Riedel (75.), 2:0 Aljoscha Keßler (86.).

Die Stimmen zum Spiel, brandaktuell vom Spielfeldrand:

Velibor Teofilovic (Trainer TSV Abtswind II): „Endlich ein Sieg. Da gibt man befreiter sein Statement ab. Über 90 Minuten ging die Partie nur in eine Richtung. Ein Spiel aufs Schleeriether Tor. Bis auf eine Ausnahme, bei einer Standardsituation, traten die Gäste offensiv nicht in Erscheinung. Defensiv haben wir schlichtweg nicht mehr zugelassen. Und vorne hatten wir fünf Hundertprozentige. Allein Aljoscha Keßler stand zwei Male goldrichtig. Im Training macht er die Dinger mit verbundenen Augen. Im ersten Durchgang stand halt immer irgendein Körperteil zwischen ihm und dem Torerfolg. Und den Rest pariert der Keeper. In allen Partien gegen Schleerieth war Keeper Christian Aumueller der beste Mann auf dem Platz. Im Hinspiel zeigte er bereits sechs Paraden der Marke Weltklasse.“

Bernd Barget (Trainer SG Schleerieth): „Uns war klar, dass Abtswind spielerisch klar überlegen ist, mit wahrscheinlich 70 bis 80 Prozent Ballbesitz. Darauf haben wir uns eingestellt. Wir wollten kompakt defensiv stehen. Bis weit in die zweite Halbzeit hinein haben wir es geschafft, die Abtswinder so weit von unserem Tor wegzuhalten. Mit viel Leidenschaft und auch etwas Glück haben wir die Null gehalten. Bei Christian Aumueller können wir uns bedanken, dass wir uns nicht schon in der ersten Halbzeit ein, zwei Gegentore einfangen. Ärgerlich war dann das Zustandekommen des 1:0. Ballverlust im Mittelfeld, den folgenden Zweikampf auf der Außenbahn unglücklich verloren. Und dann läuft eine Kettenreaktion ab, die du kaum mehr verteidigen kannst. In Rückstand können wir aktuell nicht nachlegen. Gerade auch personell. Wir sind heute mit neun Spielern aus der ersten Mannschaft aufgelaufen. Das restliche Personal kam aus der Reserve und der Jugend. Auch taktisch sind mir da die Hände gebunden, da mir die komplette Offensive weggebrochen ist. Neben den bekannten Abgängen (Anm. d. Red.: Felix Klein und Jan Ludwig) fehlt Johannes Neubert verletzt. Stefan Noeth hat letzte Woche eine rote Karte bekommen. David Schmittfull ist im Auslandsstudium in Dänemark. Zu Rundenauftakt hatten wir manchmal das Glück auf unserer Seite. Da gewannen wir solche Spiele noch knapp mit 1:0. Momentan klebt uns das Pech am Stiefel, und vorne fehlt uns ein Spieler wie Johannes Neubert, der seinen Körper gut einsetzt und auch mal ein Tor erzielt.“

Christian Aumueller (Torwart SG Schleerieth): „Zum Frieren hatte ich heute keine Zeit. In der ersten Halbzeit hatten wir ein paar glückliche Aktionen, wo wir gerade noch einen Fuß in den Torabschluss bringen. Ein paar Male habe ich auch richtig spekuliert [und lacht dabei]. Aber über 90 Minuten geht das selten gut. Irgendwann flutscht halt doch einer durch. Entlastung gab es so gut wie gar nicht. Vorne haben wir arge Probleme. Unser komplette Offensive ist weg. Felix Klein und Jan Ludwig sind höherklassig gewechselt. David Schmittfull studiert im Ausland und Johannes Neubert, unser letzter verbliebener Stürmer, plagt sich mit Knieproblemen herum. Unsere Nummer 6, Marco Schraut, ist eigentlich gelernter Verteidiger und war heute einzige Spitze. Er macht es eigentlich ganz gut.“

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Lieferte sich ein spannendes Privatduell mit Schleerieths Keeper Christian Aumueller: Mittelstürmer Aljoscha Keßler