Abtswind beginnt die Saison mit einer vermeidbaren Niederlage

FC Schweinfurt 05 II – TSV Abtswind 3:2 (2:1)

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Hat diese Niederlage sein müssen? Nein, hat sie nicht. Im Zeitfenster zwischen der 35. und 47. Minute verspielte der TSV Abtswind Zählbares. Die drei Gegentreffer erwiesen sich im zweiten Durchgang als zu höhe Bürde. So fing die Saison prompt schlecht an, obwohl Abtswind in weiten Teilen guten Fußball zeigte. Ein Debütant glänzte mit zwei Toren.

Das erste Mal im Leben soll ein schönes Erlebnis sein. Man ist aufgeregt und voller Vorfreude. Man hat Herzklopfen und ein flaues Gefühl im Bauch. Die Vorbereitung auf diesen Moment ist bis ins Detail geplant. Alles soll schließlich perfekt sein. Doch hinterher ist die Enttäuschung umso größer, weil es nicht so gekommen ist wie erhofft.

Steffen Barthel ist es genauso gegangen. Er ist um eine Erfahrung reicher, die er gerne anders gemacht hätte. Am Samstag bestritt er das erste Landesligaspiel seiner Laufbahn. Vor dem Tor bewies er eine erstaunliche Reife. Seine zwei Treffer machten den Einsatz zu einem unvergesslichen Erlebnis, das allein durch das Ergebnis getrübt wurde. „Eigentlich dürfte ich mich nicht beschweren“, stellte Barthel fest. So ist das mit Sätzen, die mit eigentlich beginnen. Sie enden mit negativem Unterton. Das persönliche Momentum mochte die Niederlage der Mannschaft nicht aufwiegen.

Der Novize in Diensten des TSV Abtswind hatte von Beginn an auflaufen dürfen. Einige Stammkräfte fehlten, und der 21-Jährige hatte sich in der Vorbereitung nicht sonderlich schlecht angestellt. Als hängende Spitze war er weit vorne zu finden. Von dort beeinflusste er häufig den Lauf des Balles. „Ich bin kein klassischer Stürmer“, erzählte Barthel. Was nicht heißt, dass solche Spielertypen keine Ahnung vom Toreschießen haben. „Das waren tolle Tore“, stellte sein Trainer Petr Skarabela fest. „Das hat er gut gemacht.“ So gut, dass der eigene Anhang in Verzückung geriet. Und der hatte sich zahlreich auf den Weg gemacht. Nicht weniger als neunzig Zuschauer hatten die Mannschaft nach Schweinfurt begleitet. Zu viele für einen Bus, dass die Fans sich spontan privat organisieren mussten.

Das Interesse an der in Teilen neuformierten Mannschaft inklusive Trainer und die Sehnsucht, nach undankbaren Tabellenplätzen vielleicht diese Saison den großen Sprung zu schaffen, hatte sie mobilisiert. Sie alle staunten, wie es anfing und es aufhörte, und sie rieben sich verwundert die Augen, wie das Zwischenspiel vonstattenging. Selten zuvor hat sich in der Rückschau ein Tor als solches Hemmnis erwiesen wie das Abtswinder 1:0 nach einer schwungvollen, formvollendeten Anfangsviertelstunde, in der sich das Potenzial entlud und der zwanzig Jahre alte Jona Riedel, ein anderer Debütant, sich viele selbstbewusstseinserweiternde Augenblicke schenkte. Besagter Barthel vollendete den harmonischen Dreiklang nach der Ouvertüre eines Jürgen Endres und Carl Murphys Akkord in Dur. Oder um in der Sprache des Fußballs zu bleiben: Pass, Flanke, Tor.

Doch dann begannen die Misstöne. Die Abtswinder schliefen ein und wachten zu spät wieder auf. Ein Tor mit der Wirkung eines Narkotikums. Den Ruhemodus vermochte nicht mal eine Schweinfurter Großchance zu beenden. Florian Warschechas Fußzucken im Abtswinder Gehäuse stoppte den einschussbereiten Tobias Fleischer in letzter Instanz (27. Minute). Kaum später war es aber geschehen. Wobei: War da überhaupt was? Ein sanftes Tätscheln vielleicht, nicht unbedingt etwas, das auf den ersten Blick einen Elfmeter rechtfertigt. Abtswinds Carl Murphy soll der Übeltäter gewesen sein, der Markus Thomann stupste. Vincent Waigand war’s egal, als er zur Ausführung schritt und versenkte (35.).

Das 1:1 rüttelte nicht am schlafenden Riesen. Im Gegenteil. Vor der Abtswinder Bank nahm das Unheil seinen Lauf, bis der Ball ins Zentrum gelangte. Tobias Fleischer, eine wuchtige Type, verrichtete seine Arbeit als Frontstürmer so kompromisslos wie seine Namenskollegen im Schlachthof (38.). Nach dem 1:2 war die Leichtigkeit des Seins in Reihen der Abtswinder endgültig dem Schwermut gewichen. Das war auch Jonas Wirth anzumerken, dem nur ein Schüsschen aus dem Fuß kam, als Schweinfurts Schlussmann Christoph Saballus durch den Sechzehner irrlichterte (40.).

Schweinfurt musste nur auf Fehler lauern. Größere Kompetenzen waren nicht gefragt. Hielt sich der Rückstand zur Pause im Rahmen und blieben alle Möglichkeiten offen, folgte kurz darauf der nächste Rückschlag. Man konnte Christopher Lehmanns Ball beim Kullern zusehen, wie er sich neben dem Pfosten den Weg bahnte (47.). Abtswind 1:3 im Rückstand – das packte die Mannschaft beim Portepee. Sie war wieder wach, aufgeputscht wie ein Junkie auf Speed. Es will etwas heißen, wenn Abtswinds Verteidiger Adrian Graf am gegnerischen Torraum auftaucht wie in der 52. Minute. Jedenfalls drückte er ab, während Schlussmann Saballus das Leder auf wundersame Weise von der Linie fischte. Es ging im Zwei-Minuten-Rhythmus weiter. Jürgen Endres, der beste Abtswinder an diesem Nachmittag, stand zentral und schoss knapp daneben. Adrian Graf setzte per Freistoß das Duell mit Christoph Saballus fort – erneut mit dem besseren Ende für den Schweinfurter.

Das Signal, das Abtswind nun aussendete, war das richtige: „Hallo, wir können und wollen es!“ Schweinfurt fand nicht statt. Man setzte auf den Faktor Zeit – bei Behandlungspausen, bei Freistößen, bei Auswechslungen. In den Schlussminuten verdichtete sich das Geschehen abermals. Carl Murphy erzielte ein angebliches Abseitstor (82.). Steffen Barthel erhöhte die Spannung und verkürzte aus zwanzig Metern: Der Ball klatschte vom Innenpfosten zum 2:3 ins Netz (85.). Das tat er – der Pfosten – nicht und verhinderte den mittlerweile verdienten Ausgleich bei Murphys Freistoß (89.). Den Nachschuss von Pascal Kamolz (wegen Oberschenkel-Problemen zunächst auf der Bank) störte Marcel Ruft – erfolgreich gewehrt.

„Das ist so schade“, haderte Abtswinds Trainer Petr Skarabela. „Du weißt, du bist besser.“ Nächstes Mal stehen die verhinderten Thilo Wilke, Nicolas Wirsching und Jörg Otto wieder im Aufgebot. Derweil ist Michael Herrmanns Zustand ungewiss. Vor zwei Wochen verletzte er sich am Sprunggelenk. Es besteht der Verdacht auf einen Sehnenriss. Eine Operation würde ihn für Monate ausschalten. Am Montag soll eine Untersuchung Gewissheit bringen.

Michael Kämmerer


Das Spiel in der Statistik

FC Schweinfurt 05 II: Christoph Saballus – Marius Heinze, Mert Topuz, Marcel Ruft, Johannes Golla (62. Pascal Schmitt) – Vincent Waigand (68. Steffen Behr), Steffen Schmidt – Max Hillenbrand, Markus Thomann (58. Christoph Schmidt), Christopher Lehmann – Tobias Fleischer.
TSV Abtswind: Florian Warschecha – Carl Murphy, Adrian Graf, Sven Gibfried, Przemyslaw Szuszkiewicz – Jürgen Endres, Jonas Wirth, Jona Riedel (60. Pascal Kamolz), Steffen Barthel, Frank Hartlehnert – Peter Mrugalla.
Schiedsrichter: Marcel Schiller (Rödental); Assistenten: Wolfgang Reich (Heubach), Janek Steinbach (Eicha).
Zuschauer: 200.
Gelbe Karten: Mert Topuz, Vincent Waigand, Marius Heinze, Steffen Behr (Schweinfurt); Sven Gibfried, Carl Murphy, Adrian Graf (Abtswind).
Tore: 0:1 Steffen Barthel (15.), 1:1 Vincent Waigand (35., Foulelfmeter), 2:1 Tobias Fleischer (38.), 3:1 Christopher Lehmann (47.), 3:2 Steffen Barthel (86.).


Stimmen zum Spiel

Petr Skarabela (Trainer TSV Abtswind): „Das waren drei verlorene Punkte. Normalerweise dürfen wir hier nicht mit einer Niederlage vom Platz gehen. Vielleicht war es nicht gut, dass wir früh in Führung gegangen sind. Zwanzig Minuten vor der Pause und fünf Minuten danach haben uns Zählbares gekostet. Schweinfurt hat von unseren Fehlern profitiert. Sonst hatte der Gegner keine Chancen. Ich hatte die Schweinfurter viel stärker erwartet. Teilweise haben sie nur den Ball nach vorne geschlagen. Elfmeter war das keiner. Die zweite Halbzeit war von uns richtig gut.“

Ulli Baumann (Trainer FC Schweinfurt 05 II): „Das war ein 50:50-Spiel, und wir brauchten Glück. Das zeigte sich besonders beim Freistoß der Abtswinder, der an den Pfosten ging. Sonst geht das Spiel wohl 3:3 aus. Der Gegner hatte eine Schwächephase. Die haben wir ausgenutzt. Unseren Elfmeter kann man geben, muss man aber nicht. Der Abtswinder war mit der Hand an meinem Spieler dran. Ich hätte nicht gedacht, dass der Schiedsrichter pfeift. Es war nicht einfach, eine solche Mannschaft zu schlagen. Für uns ist es gerade von der Motivation extrem hilfreich, auf diese Weise in die Saison zu starten. Trotz der Niederlage wird Abtswind vorne mitspielen.“

Steffen Barthel (Abtswinds zweifacher Torschütze): „Ein Unentschieden hätten wir verdient gehabt. Nur leider sind wir nach unserem 1:0 eingeschlafen und dann zu spät aufgewacht. Es war so, als ob wir in eine Lethargie verfallen waren. In der zweiten Hälfte hätten wir früher den Anschlusstreffer gebraucht. Dann wäre Schweinfurt noch mehr ins Schlingern geraten. Die Chancen waren vorhanden. Gegen einen Gegner wie diesen darf man keine drei Tore bekommen. Da einige Stammspieler gefehlt haben, hatte ich Hoffnung, in die Startelf zu rutschen. Es war zwar mein erstes Landesligaspiel, aber nach den Partien in der Vorbereitung gegen Ansbach, Aubstadt und Karlburg wusste ich, welches Niveau mich erwartet. Ich beschwere mich nicht, dass mir heute zwei Tore gelungen sind. Aber die hätte ich nicht gebraucht, wenn wir stattdessen gewonnen hätten.“