Mit der Lizenz zum Jammern
Eine Hommage vom Schmierfink
Wer von einer großen Idee wirklich überzeugt ist (Sozialismus, Liberalismus, Egoismus), sollte sich um ein politisches Amt bewerben. Mit dem notwendigen Sendungsbewusstsein ausgestattet geht es über den instanzlichen Jakobsweg schnurstracks nach oben.
Nach Selbstfindung, Rucksackgaudi und medial optimal ausgeschlachteter Burnout-Therapie (Buchtitel: „Einmal ins Land der Tränen und wieder zurück – Wie ich Tabletten lieben lernte“) an der frisch gedüngten Gülleluft, beginnt der letzte Aufstieg an die Spitze. Ein Stück weit wie Basislagerparty Nanga Parbat, übern Gondelpass auf den Mount Everest. Politisch übersetzt ist das Durchstarten ins Kanzleramt zur Neujahrsansprache. Wer nun felsenfest glaubt, ja, das ist die Zentrale, der große Fressnapf der Macht, verkennt die wahre Produktspezifikation von Macht (den Bereich von „Macht nix“ bis „mächtig voll“ klammern wir aus). Die großartigen, prägenden Erfindungen in der Menschheitsgeschichte, Feuer, Rad, Live-Ticker, Doosh von Geistesgrößen wie Einstein, Montgomery, Raab führen stets zum Urinstinkt, dem sogenannten „will haben!“ Sobald eine Erfindung den Besitzer wechselt, sind Tauschmittel notwendig. Wobei wir auch schon beim Thema angelangt sind, warum der Schweizer seinen Franken liebt. Kleiner Tipp: Es geht nicht um Bratwörschd.
Vorhang auf, Trommelwirbel, ab zur drängenden Zeitbeschäftigung unserer Tage: Dialekte sprechen, die man nicht beherrscht. Das sind Lebenserfahrungen, die man mit nichts vergleichen kann. Wer einen gesunden Hass anstatt mild verbrämtem Gefremdel erleben möchte, muss unbedingt einmal in die Schweiz reisen. Kaum über der Grenze, schmeißen Sie stochastisch wild verteilt in Ihrem Hochdeutsch ein „Chhhhr“ anstatt des offiziell vorgesehenen „G“ oder „K“ und Sie werden erkennen, dass Eidgenossen durchaus auch kriegerische Züge an sich haben. Um dem Donnerwetter zu entgehen, streut man in dieses zischende, zischelnde Kauderwelsch ab und an ein „Fränkli“ ein. Alle anderen spielen Opfer. Während diese Bedauernswerten vom aufgeputschten Schweizer Mob höflich aber bestimmt aus der Kassenzone geleitet werden, folkloristisch garniert mit Mistgabel und Fackel, stellt sich eine innere Einsicht ein, eine Eingebung, wer wirklich Macht besitzt: Der Kassenwart – der Gott aller Fränli.
Der Kassenwart hat alles im Blick, bevorzugt von hoher Warte aus: Tobias Fink eingerahmt von Johannes Baumann und Sebastian Krauss (v.l.n.r.)
Diesen Posten besetzen meist Kerle, obwohl Frauen qua Multitasking sowie höher entwickelter Intelligenz und mangels Jäger-Gen rationaler handelnd weit besser geeignet wären. Wieso, fragt man sich, sitzen also Männer auf dem Tresor? Ein möglicher Ansatzpunkt wäre gesellschaftshistorischer Natur. Damals, zu Zeiten von Apostel, Zeitenwende und Brian „die Rübennase“ („Romanes eunt domus??? Menschen, genannt Romanes, gehen das Haus?“), standen Ideen beseelte Sendungsbewusste vor verschlossenen Türen. Keine Klingel, weder Gegensprechanlage noch Videoüberwachung im Eingangsbereich. Was stellt man nun an, um sein monatliches Soll neues Gläubiger zu erreichen? Damals trat man noch mit Anlauf und Schmackes auf die Hauskatze, die, der BUND befand sich noch im Embryonalstadium, ebenso laut aber weniger kratzbürstig als der WWF in Gestalt des unvermeidlichen Hofhunds agierte. Sollte das Echo ausbleiben, trat man simpel gestrickt die Haustür ein, schändete und brannte alles nieder, raubte anschließend die Hausfrau. Zack, Beweiskette abgeschlossen. Vielleicht wollen Sie ja alternativ vor einfachen Bankgeschäften die Angetraute vom Sklavenmarkt auslösen? Auf die Dauer ziemlich mühselig.
Ergo, der Kassenwart braucht ein Paar geeignete Chromosomen, mit allen Nachteilen, die man dafür in Kauf nehmen muss, ohne Umweg über´n Sklavenmarkt, Abteilung Gastroausstattung. Ein Teil ihres Gehirns sollte jetzt einen Salto Pekunale vollführen, denn plot-technisch geht es zurück zur ursprünglichen These „der Kassenwart im Zentrum der Mächtigen“. Andererseits, ist dieser Merkspruch so korrekt? Mit Machen hat er es meist nicht so. Bei handfesten Vereinsvorhaben wechselt er aktiv auf die dunkle Seite der doppelten Buchführung, mutiert gewissermaßen zu einer Gebäulichkeit öffentlicher Präferenz oder beispielsweise einem Aufsitzrasenmäher mit Doppeleinspritzung, Katalysator und seitwärts mulchendem Schneidwerk. Geiles Teil. Mit Spoiler und optisch übel wirkenden, neongelben Rennstreifen. Währenddessen verändert sich die Zahl auf dem Kontoblatt, dem Spiegel eines lebendigen Vereinslebens, von konservativ schwarz („Wir schaffen das“) auf „Wagengeknechtetes“ Rot, wenn es dem Oskar mal wieder nicht radikal genug erscheint. Ohne Umweg führt das zur Methusalem-Reflex: Anlegen, schaffen lassen, Tresor zu und Schlüssel runterschlucken. Ein Warren Buffett als Kassenwart kultiviert aktiven Stillstand bei wandelbar steigendem Kassenstand. Kurz und gut: Geld kann auch stinken. Wenn man es so lange auf der hohen Kante bunkert, bis es schimmelt.
Die junge Führungsriege am Ball (v.l.n.r.): Christoph Kniewasser (Stellv. Vorsitzender), Katharina Baumann (Schriftführerin) und Tobias Fink (Kassenwart)
Diese Vorstellung umfängt den Kassenwart mit innerlich wärmender Ruhe. Sein Mäntellein aus „Sehet her, wie gut es uns geht“, wenn man die Schlaglöcher am Kabinenaufgang vernachlässigt, oder fetzige Stutzen, fallenden Pegelstand beim Freibier, Löcher im Fangnetz (sic!) oder andere oft auftretende Abnutzungserscheinungen, wenn ein Verein so in die Jahre kommt. Ausgaben sind gleichbedeutend mit körperlichem Schmerz. Als Antibiotikum dagegen empfiehlt der Arzt frühzeitig ausgeschüttetes Sponsoring. Spiegel des wahren Lebens, nicht real life mit diesen seltsamen, wahllos getackert und tätowierten Gestalten im Konflikt geschwängerten Container. Unsere Schaltzentrale verarbeitet also die oben genannten Eindrücke, übernimmt die undankbare, ordnende Aufgabe, delegiert Aufgaben, schickt To-Do-Listen, und sendet klar ausformulierte Befehle an Muskeln, die wiederum die körperliche Außendarstellung übernehmen. Wie man sieht: Das Leben erfordert enormen Rechenaufwand. Eine Sisyphusaufgabe für unseren armselig beanspruchten Verstand, jedenfalls die paar lächerlichen Prozentpunkte, die wir wirklich von unserem schwammigen, glibberigen Kopforgan tatsächlich nutzen. Da lässt man es gerne mal schleifen und sieht dem Kontostand beim Entwickeln zu.
Und plötzlich trifft einen der Blick des 1. Vorsitzender. Mitten in der Sitzung. Taxierend. Zunehmend bohrend. Wieder dieses gierige Blitzen in den Augen, diese Begehrlichkeit in der rauen Stimme. Das wohlige Gefühl sagt wehmütig servus. Und erneut entstehen vor dem geistigen Auge imaginäre Wolkenkuckucksheime, verbinden sich Ideen, Vorschläge, zu Plänen, später zu handfesten Forderungen. Beim Mann meldet sich die Evolution. Der Kassenwart rechnet, addiert potentielle Kosten auf und der Schwerkraft gehorchend neigt sich das Kassenwarthaupt zustimmend dem Boden entgegen. Einmal mehr triumphiert der Mann im Wart. Die Frau hätte zunächst ein paar Fragen vor der Abstimmung. Irgendso nebensächliches Zeug wie „Macht das Projekt Sinn?“ oder wie Polt im besten Amazonenbajuwarisch raunzt: „Braucht´s Des?“
In diesem Sinne,
Euer Schmierfink