Abtswind II präsentiert sich als Aufbaugegner gegen das Tabellen Schlusslicht – mal wieder
TSV Abtswind II – FV Niederwerrn/Oberwerrn 4:5 (3:2)
Vogelwildes Auftreten auf beiden Seiten. Niederwerrns Übungsleiter ist bedient und überglücklich: „Heute gab es brutal viele Abwehrfehler, die sofort zum Tor geführt haben. Auf beiden Seiten. Und wir hatten das Glück, dass wir einen Bock mehr ausnutzen konnten.“ Abtswind II rennt auch nach eigener 4:2-Führung konzeptlos offensiv ins Nirwana und verliert dabei gegen den Tabellenletzten defensiv den Überblick. Same procedure as every week, Miss Sofie? Yes, my dear. Und Skoll!
Herrlichstes Wetter, kaum Wind, beinahe frühlingshafte Bedingungen auf Abtswinds manikürtem, Hack prämiertem Teppich: Die Kräuter Mix Arena erstrahlt in bestem Glanz. Wer da keine Lust auf Kreisligakick verspürt, ist nicht mehr ganz Bruno Banani. Bereits in der zweiten Spielminute zappelt es im Niederwerrner Netz. Andreas Herrmann bringt einen zunächst abgewehrten Eckball erneut herein. Sven Gibfried köpft die butterweiche Hereingabe unhaltbar ins lange Eck.
Alles verläuft vermeintlich nach Plan für Abtswinds Trainer Velibor Teofilovic: Früh in Führung gehen und nachlegen. Punkt eins kannste abhaken. Doch was danach passiert, ist eine Fehlpassorgie aller untersten Kalibers. Ballbesitz, Ballkontrolle, spielerische Klasse, alles Attribute, die von Szenekundigen der Landesligareserve in Abtswind zugerechnet werden. Das kann man getrost vergessen, wenn der Gegner auf Kampfmodus umstellt. Abtswinds Mann vor der Abwehr Eric Köhler schildert die Partie aus seiner Sicht: „Hinten raus spielen wir einen Hurra-Fußball, da wird jeder Gegenangriff brandgefährlich, kein echter Zugriff auf Niederwerrns Spielgestalter Sebastian Serzisko und die einzige Sturmspitze Alessandro Miano.“ Innerhalb von 10 Minuten drehen die Gäste die Partie und gehen nach Toren von Alessandro Miano (10.) und Timo Wohlleben (18.) in Führung. Das 1:1 bereitet Niederwerrns offensive Lebensversicherung Sebastian Serzisko mit einem rasanten Flügellauf vor. Der Abpraller landet vor den Füßen von Alessandro Miano, der aus 20 Metern Tordistanz flach einnetzt. Das 1:2 resultiert aus einem kurz ausgeführten Eckstoß. Aus unmöglichem Winkel schweißt Timo Wohlleben ein. Hier irrt der offizielle Spielbericht des TSV, der Sebastian Serzisko als Torschützen benennt.
Auch in der Folge haben die Gäste die aussichtsreicheren Torabschlüsse. Abtswind zeigt sich untypisch effektiv. Aus wenigen Chancen dreht Abtswind die Partie und geht – etwas glücklich – mit 3:2 in die Kabine. Nach feinem Sololauf zieht Axel Zehnder aus 16 Metern Torentfernung ab. Niederwerrns Innenverteidiger Sascha Schneider fälscht den Ball leicht ab der sich unhaltbar über Torwart Luca Rödemer ins Tor senkt. Dem 3:2 geht die erste und leider auch letzte konstruktive Offensivaktion voran. Abtswinds Maximilian Heß setzt einem versprungenen Querschläger nach. Nach öffnendem Doppelpass mit Christoph Hoffmann spielt Maximilian Heß steil in die Spitze. Markus Schamberger lässt nach hinten abtropfen und Aljoscha Keßler schwartet die Pille flach neben den Pfosten.
Durchschnaufen, Kaderbesprechung, für die Zuschauer den ein oder anderen Schnaps zur Beruhigung. Diese Partie bietet viel für den läppischen Eintritt. Nach dem Seitenwechsel übernimmt Abtswind die Spielkontrolle, schnürt die Gäste phasenweise auf ein enges Karree um Niederwerrns Keeper Luca Rödemer ein, der sich in vielen Situationen sehenswert auszeichnen kann. Ein erneutes Tor für Abtswind liegt in der Luft. Man kann die Aura spüren, schmecken, riechen und schlussendlich auch sehen. Wenigstens ein Stück weit, denn im Billard Stil saust ein Abtswinder Eckstoß Richtung Niederwerrns Strafraum. Der Versuch von Markus Schamberger verheddert sich im dichten Beingeflecht. Irgendwann köpft Axel Zehnder das krumme Ding über die Torlinie.
Mit der vermeintlich sicheren Führung verliert Abtswind auch das letzte bisschen Spielkonzeption, oder wie es Velibor Teofilovic ausdrückt, „Wir führen scheinbar deutlich. Da musst du das Spiel beruhigen, Ball kontrollieren, geduldig spielen. Stattdessen rennt alles nach vorne und möchte ein Tor schießen. Hinten waren wir total offen.“ Spätestens ab jetzt zeigen die Gäste eine Mordsmoral. Das ist ganz großer Laufsport gepaart mit einer gewissen Gier, die Partie trotz aller Widrigkeiten noch zum Guten zu wenden. Abtswinds Keeper Eduard-Alin Wellmann bringt die Gäste wieder heran. Er lässt einen direkt über die Mauer gehobenen Freistoß durch die Handschuhe flutschen. Sofort die Entschuldigung an die überraschten Kollegen.
„Das 4:3 war zwar glücklich. Aber das hat uns die Luft gegeben, um noch einmal alles nach vorne zu werfen“, schildert Achim Schaup die Schlussphase. „Man hat gesehen, dass meine Truppe über den Kampf und die Moral gewillt war, das Spiel zu gewinnen. Von meiner Seite aus kein unverdienter Sieg.“ Den Ausgleich als Slapstick zu bezeichnen, würde dieser Kunstform nicht gerecht. Wieder einmal segelt eine simple Flanke in den Abtswinder Strafraum. Die Verteidiger Sven Gibfried und Daniel Kaminski fühlen sich scheinbar nicht ansprechend gefordert, angesprochen oder irgendwie in die Partie involviert. In jedem Fall lässt man den eigenen Torwart im Stich und Alessandro Miano trifft aus kurzer Distanz.
Abtswind bläst auf Attacke und rennt in einen Konter nach dem anderen. Irgendwann, es lag Minuten lang in der Luft, trifft Niederwerrns Mittelstürmer Alessandro Miano per Kopf zum verdienten 5:4-Auswärtssieg für seine Farben. Kurz darauf verhindert Eric Köhler allein gegen zwei Mann den finalen Genickschlag und kassiert dafür die gelb-rote Karte. Die vogelwilde Partie trudelt unkontrolliert, unmotiviert konzeptlos dem Ende entgegen. Ein Spiel, typisch für die Kreisliga, wenn man selbst mit einem Sieg rechnet, geht der Schuss konsequent nach hinten los. Das Schlusswort gehört Abtswinds Übungsleiter: „Das 4:3 war zwar ein klarer Torwartfehler. Aber wieso reagieren wir nicht und machen hinten die Bude dicht? Das frage ich mich seit einiger Zeit. Niederwerrn/Oberwerrn hat verdient gewonnen. Punkt und aus.“
Die Bilanz für eine ambitionierte Mannschaft glänzt wie vergilbtes Chrom. Fünf Siege stehen bereits sechs Niederlagen gegenüber. Die aktuelle Situation heißt graues Tabellen Mittelfeld mit angenehm naher Aussicht auf die Abstiegsränge.
Matthias Ley
Das Spiel im Überblick:
TSV Abtswind II: Eduard-Alin Wellmann – Christoph Kniewasser, Sven Gibfried, Christoph Hofmann, Michael Rügamer – Markus Schamberger, Eric Köhler – Maximilian Heß, Andreas Herrmann, Axel Zehnder – Aljoscha Keßler. Einwechselspieler: Daniel Kaminski, Patrick Hock, Mladen Grujic, Velibor Teofilovic.
FV Niederwerrn/Oberwerrn: Luca Rödemer – Edmont Hofmann, Sascha Schreiber, Felix Karg, Steven Perry – Timo Wohlleben, Christian Klass, Mauris Rüth, Sebastian Serzisko – Alessandro Miano, Abdullah Rahimi. Einwechselspieler: Julian Heinisch, Daniel Hümmer.
Schiedsrichter: Niklas Manger (Sömmersdorf)
Zuschauer: ca. 50
Gelbe Karten: Eric Köhler, Michael Rügamer, Christoph Hoffmann (TSV Abtswind II) – Steven Perry, Alessandro Miano (FV Niederwerrn/Oberwerrn)
Gelb-rote Karte: Eric Köhler (wiederholtes Foulspiel, TSV Abtswind II)
Tore: 1:0 Sven Gibfried (2.), 1:1 Alessandro Miano (10.), 1:2 Timo Wohlleben (18.), 2:2 Axel Zehnder (29.), 3:2 Aljoscha Keßler (37.), 4:2 Axel Zehnder (58.), 4:3 Alessandro Miano (63.), 4:4 Alessandro Miano (74.), 4:5 Alessandro Miano (85.).
Die Stimmen zum Spiel:
Velibor Teofilovic (Trainer TSV Abtswind II): „Das wird langsam langweilig. Jede Woche das gleiche Statement. Typisch Abtswind. Ehrlich gesagt, bin ich ratlos, was ich hier noch machen kann. Ein Abwehrverhalten wie in der zweiten Halbzeit, da kann man nicht gegen antrainieren. Man kann einen Bock fabrizieren, aber nicht drei oder vier am Stück. Spielerisch war das wieder in Ordnung. Wir haben uns Chancen raus gespielt. Wie schon in Poppenhausen ein gutes Laufverhalten. Nach der frühen Führung bekommen wir zwei Gegentore aus einem unmöglich spitzen Winkel. Aber zur Pause können wir die Partie drehen. Glücklich oder nicht, sei dahingestellt. Nach dem Seitenwechsel haben wir die Partie vollkommen bestimmt. Bis zum 4:2 hatten wir einige gute Torabschlüsse. Und dann führen wir scheinbar deutlich. Da musst du das Spiel beruhigen, Ball kontrollieren, geduldig spielen. Stattdessen rennt alles nach vorne und möchte ein Tor schießen. Hinten waren wir total offen. Das 4:3 war ein klarer Torwartfehler. Aber wieso reagieren wir nicht und machen hinten die Bude dicht? Das frage ich mich seit einiger Zeit. Niederwerrn/Oberwerrn hat verdient gewonnen. Punkt und aus.“
Achim Schaup (Trainer FV Niederwerrn/Oberwerrn): „Ich habe es gerade dem Kollegen Teofilovic gesagt: Die Mannschaft, die die Fehler des Gegners öfters ausnutzt, gewinnt diese Partie. Heute gab es brutal viele Abwehrfehler, die sofort zum Tor geführt haben. Auf beiden Seiten. Und wir hatten das Glück, dass wir einen Bock mehr ausnutzen konnten. Nach dem frühen Rückstand zeigte sich die Moral meiner Truppe. Wir kommen gut zurück und führen nach 20 Minuten. Auch nach dem 4:2 zeigen wir eine gute Reaktion. Das 4:3 war zwar glücklich. Aber das hat uns die Luft gegeben, um noch einmal alles nach vorne zu werfen. Man hat gesehen, dass die Truppe über den Kampf und die Moral gewillt war, das Spiel zu gewinnen. Von meiner Seite aus kein unverdienter Sieg.“
Sebastian Serzisko (Spieler FV Niederwerrn/Oberwerrn): „Vogelwildes Spiel, ganz viele Fehler auf beiden Seiten. Abtswind hat die ersten Chancen ausgenutzt, wir die letzten Fehler und haben die Dinger einfach reingemacht. Die glücklichere Mannschaft hat ein Tor mehr erzielt. Von einem verdienten Sieg möchte ich nicht sprechen. Bei einem 4:4-Unentschieden wären wir auch zufrieden gewesen. Wir hatten heute das Glück des Tüchtigeren und wollten am Ende dieses eine Tor mehr. Erst in den letzten zwei, drei Spielen haben wir als Mannschaft so richtig begriffen, dass es in dieser Liga schwer wird. Wenn wir den Kampf nicht annehmen, schaffen wir den Klassenerhalt nicht. In den letzten Spielen haben wir gezeigt, dass wir das können. Auf dem Weg müssen wir bleiben. Und mit etwas Glück kommen wir aus dem Tabellenkeller raus. Seit der letzten Rückrunde haben wir einige Verletzte, die hoffentlich demnächst zurückkehren.“
Eric Köhler (Spieler TSV Abtswind II): „Zum Spielverlauf fällt mir nichts mehr ein. Wir gehen nach 2 Minuten in Führung und postwendend klingelts hinten bei uns im Kasten. Hinten raus spielen wir einen Hurra-Fußball, da wird jeder Gegenangriff brandgefährlich, kein echter Zugriff auf Niederwerrns Spielgestalter Sebastian Serzisko und die einzige Sturmspitze Alessandro Miano. Ständig waren wir zu weit weg vom Gegenspieler, haben teilweise keinen Fuß in die Partie gekriegt. Wenn ich wüsste, warum wir so auftreten, würde ich nicht so ratlos nach Worten suchen. Es ist fast pervers: Wir gehen glücklich mit 3:2 in die Pause. Nach dem Seitenwechsel machen wir das Spiel, gehen mit 4:2 in Führung. Danach denken wir, jetzt schießt du das fünfte, das sechste Tor und vernachlässigen automatisch die Defensive. Anstatt dass wir den Ball laufen lassen, durch die Ketten, die Partie beruhigen, spielen wir nur nach vorne. Volle Pulle im Offensivmodus. Und so ist jede Mannschaft in der Kreisliga gut genug, mit zwei guten Offensivspielern unser Spielsystem gnadenlos auszunutzen. Und nach Abpfiff stehst du wieder da, wieder ohne Punkte, erneut gegen den Tabellenletzten. Dann bist bedient. Man muss auch zugeben, dass wir uns von kämpferisch starken Mannschaften den Schneid abkaufen lassen. Da fehlen uns die Mittel, auch gedanklich sind wir dann nicht schnell genug. Mir persönlich sagen die Namen unserer Gegner alle nichts. Aber es scheint so: Umso rühmlicher der Gegner, umso vermeintlich stärker der nächste Kontrahent, umso besser treten wir auf. Und gegen die Schlusslichter, die in dieser ausgeglichenen Kreisliga beileibe nicht schlecht sein müssen, da fehlt es an der Körperspannung, da spielen wir kopflos, ohne erkennbares System.“
Eduard-Alin Wellmann (Keeper TSV Abtswind II): „Beim Freistoß zum 4:3-Gegentreffer war ich wohl in Gedanken beim nächsten Spielzug. Die Sonne kam von links, der Freistoß von rechts, also daher keine Entschuldigung. Nach dem 4:2 hatten wir das Spiel eigentlich im Griff. Dann mein Bock und wieder schwimmen wir hinten. Aktuell kann man das auf einen gemeinsamen Nenner bringen: Wenn der Gegner nur zwei, drei guten, schnelle Leute hat, schwimmen wir defensiv von einer Verlegenheit in die nächste. Wir kriegen keine Kompaktheit hin, gehen zu lasch in die Zweikämpfe. Und am Schluss hast du außer blaue Flecken nichts auf der Habenseite. Schöne Scheiße.“
Deutliche Worte vom Sechser. Gelb-rote Karte und 5 Gegentore für seine Defensive: Eric Köhler war heute sichtlich bedient