Der Systemwechsel nach 20 Minuten kam zu spät – 45 Minuten Anrennen ohne zählbaren Erfolg
TSV Abtswind II – SV Mühlhausen/Schraudenbach 2:3 (2:3)
Nach 20 Minuten stellt Thorsten Götzelmann um und beordert Fabian Mauderer ins hoffnungslos unterbesetzte Mittelfeld. „Ich musste reagieren. Gegen eine Mannschaft wie Mühlhausen, die sauber übers Mittelfeld kombinieren, kommst du mit einem Flügel lastigen 3-5-2 nicht an“ meint Abtswinds Interimstrainer, der für den im Urlaub weilenden Velibor Teofilovic nicht nur an der Linie operierte.
Mit Akklimatisieren, Abtasten oder sonstigen Spielchen zum Eingewöhnen hält sich kaum einer auf. Nach einem verunglückten Abtswinder Rückpass geht Mühlhausens Stürmer David Schyroki steil, legt von der Grundlinie zurück. Christian Knaups Slapstick Torabschluss landet zielsicher beim frei stehenden Mannschaftskollegen. Aus 8 Metern Tordistanz schwartet Leopold Göbel die Kugel in den Winkel. Abtswind gleicht mit dem direkten Gegenzug aus. Feine Kombination über Kapitän Christoph Kniewasser auf Stürmer Andy Herrmann, der direkt in den Lauf seines Sturmpartners schiebt. Jona Riedel setzt das Ding unhaltbar zum 1:1 in die Maschen. Da waren gerade einmal 4 Minuten von der Uhr.
Moralisch unschlagbar“, bewertet Abtswinds Stürmer Andreas Herrmann die Zeit nach dem Ausgleich. „Besser geht es nicht mehr. Aber das kaschiert nur, wie schlecht wir in die Spitze gespielt haben. Ständig hoch und weit. Da musst du gegen solch ausgebuffte Verteidiger wie Mühlhausens Kapitän Sebastian Neubert und René Fischer bestehen. Die gewinnen jedes Kopfballduell.“ In der Summe landen die Diagonalbälle aus der Abtswinder Viererkette zielsicher in Mühlhausens Defensive. Aufbau übers Abtswinder Mittelfeld ist kaum möglich. Im Zusammenspiel mit Maximilian Heß kann Eric Köhler dieses Mal kaum eine defensive Köhler-Linie ziehen. Die zwei Abtswinder stehen ständig einer zahlenmäßigen Mühlhäuser Übermacht gegenüber. Bildlich gesprochen: Abtswind zieht das Spiel taktisch extrem auf die Flügel und lässt dabei die Mitte brach liegen. Genau in diese Räume kombiniert das Team von Gästetrainer Thomas Niesner: „Abtswind spielt offensiv Hara-Kiri. Da schaltet sich alles ein, bis auf den Torwart. Aus den uns bietenden Räumen hätten wir deshalb mehr machen müssen.“ Auch so führt Mühlhausen nach einem Doppelschlag Mitte der ersten Hälfte mit 3:1. Erst eine Einzelaktion von Fabian Mauderer kaschiert das Ergebnis halbwegs. In der 40. Minute zieht er gegen gleich 3 Gegenspieler in den Mühlhäuser Strafraum ein und wird unmittelbar vorm Torabschluss von den Socken geholt. Den fälligen Strafstoß verwandelt Christoph Hofmann humorlos zum 2:3- Anschlusstreffer aus Abtswinder Sicht.
Abtswind kommt mit Dampf aus dem Kabinentrakt und schnürt die Gäste phasenweise in deren eigener Hälfte ein. Chancen beinahe im Minutentakt. „Wir hatten uns den Gegner so schön zurecht gelegt“, meint ein konsternierter Andreas Herrmann nach Abpfiff. „Da müssen wir einfach 3 Dinger nachlegen und gut ist.“ Und wie sooft, wenn eine Partie eine gewisse Betriebstemperatur erreicht, kommen die strittigen Szenen zwangsläufig. Beispiel gefällig? Ein Abtswinder Eckball zischt unberührt durch den Mühlhäuser Strafraum. Im Hintergrund, am langen Pfosten steht Verteidiger Steffen Rumpel, wird vollkommen überrascht und wischt die Pille mit dem rechten Arm aus der Gefahrenzone. Auf Nachfrage bewertet Schiedsrichter Bernhard Limmer die Situation als Hand angelegt. Kurz darauf dreht sich Abtswinds Stürmer Thorsten Götzelmann um seinen Gegenspieler herum, legt sich den Ball in den Lauf, und wird oben und unten zu Fall gebracht. „Das habe ich genau gesehen“, meint der Unparteiische später im Abtswinder Mannschaftsheim auf Nachfrage. „Beide Akteure haben geklammert. Nach der Drehung hebt der Abtswinder sofort ab. Nur aufgrund des beidseitigen Textilvergehens habe ich ihm keine Verwarnung wegen Schwalbe gezeigt.“ An der Abtswinder Fanbande hingegen legt man sich sofort fest. Klarer Elfmeter. Mühlhausens Trainer Thomas Niesner wurde dabei stark an das letzte Aufeinandertreffen beider Teams erinnert. Da setzte Thorsten Götzelmann denselben Bewegungsablauf in Gang und bekam den schuldigen Elfmeter. Dieses Mal bleibt die Pfeife stumm. Und einige gute Abtswinder Torgelegenheiten im Wechsel mit sich häufenden Mühlhäuser Kontern später beendet Bernhard Limmer eine rassige, spannende Kreisligapartie.
Nach Abpfiff gehen die Meinungen aber so was von diametral auseinander. Einziger Konsens aller Beteiligten, quasi der kleinste gemeinsame Nenner, lautet: Das war mal eine attraktive Veranstaltung – mit dem besseren Ende für die Gäste, die eine spontane, lustige Kabinenpartie starten. Polonaise, Trinksprüche, Hoch die Asbach-Tassen inklusive. Die Abtswinder Landesligareserve übt sich währenddessen in Galgenhumor, oder wie es Daniel Kaminski lapidar raus rotzt: „Alles wie immer!“
Matthias Ley
Das Spiel im Überblick:
TSV Abtswind II: Eduard-Alin Wellmann – Christoph Hofmann, Christoph Kniewasser, Michael Rügamer, Maximilian Heß – Eric Köhler – Fabian Mauderer, Manuel Pauly, Jona Riedel, Julian Beßler – Andreas Herrmann. Einwechselspieler: Daniel Kaminski, Thorsten Götzelmann, Patrick Hock, Markus Golombek, Markus Schamberger.
SV Mühlhausen/Schraudenbach: Simon Falz – Leopold Göbel, Steffen Rumpel, Moritz Rumpel, Sebastian Neubert – Nico Mayer, Michael Pfeuffer, René Fischer, Christian Knaup – David Schyroki, Kevin Rumpel. Einwechselspieler: Steven Rumpel, Bernd Rumpel, Johannes Weippert, Marcel Facius.
Schiedsrichter: Bernhard Limmer (Hirschaid)
Zuschauer: ca. 70
Gelbe Karten: Christoph Kniewasser (TSV Abtswind II) – Nico Mayer, Kevin Rumpel (SV Mühlhausen/Schraudenbach)
Tore: 0:1 Leopold Göbel (3.), 1:1 Jona Riedel (4.), 1:2 Sebastian Neubert (23.), 1:3 Michael Pfeuffer (27.), 2:3 Christoph Hofmann (40., Foulelfmeter).
Die Stimmen zum Spiel:
Thorsten Götzelmann (Interims-Trainer TSV Abtswind II): Mit gewissen Vorgaben zum Spielsystem haben wir schlecht begonnen. Nach 20 Minuten konnte ich nicht anders, als umzustellen. Mit dem Personal heute hat das einfach nicht gepasst. Mühlhausen ist eine fußballerische Mannschaft. Die bläst den Ball nicht longline nach vorn, sondern bauen sauber übers Mittelfeld auf. Da waren Eric Köhler und Maximilian Heß ständig unterbesetzt. Dieses vorgegebene 3-4-3 hat hint und vorn nicht hingehauen. Nachdem Fabian Mauderer zurück gegangen ist, hat das besser geklappt. Trotzdem haben wir drei dumme Gegentreffer kassiert, die so normal nie fallen dürfen. In der Pause habe ich das klar angesprochen und erklärt, wie ich mir das vorstelle. Dann haben wir deutlich mehr Druck auf den Ball bekommen und uns eine Vielzahl an Torchancen heraus gespielt. Schade, dass wir uns für den Aufwand in der zweiten Hälfte nicht belohnt haben. Selbst Kevin Rumpel, Mühlhausens Außenverteidiger lobt dich für eine granatenstarke zweite Halbzeit. Aber davon kannst du dir nichts kaufen.
Thomas Niesner (Trainer SV Mühlhausen/Schraudenbach): Gerade in der ersten Hälfte ist mein Plan voll aufgegangen. Wir standen hinten kompakt. Gerade wenn man weiß, dass Abtswind spielerisch das Beste darstellt, was die Kreisliga zu bieten hat, da musst du defensiv sicher stehen. Sie spielen bedingungslos offensiv, was die eigene Mannschaft unter Druck setzt, aber auch Räume schafft für Konter. Das geht nur über Laufbereitschaft, wenn sie meistens in Überzahl nach vorne spielen. Da schaltet sich so ziemlich alles ein, was Beine hat. Aber wir müssen aus unseren Konterchancen mehr Kapital schlagen. Meiner Meinung nach sollten wir mit einem 4:1 in die Pause gehen. Und dann geht bei Abtswind beim ein oder anderen wahrscheinlich der Kopf runter. Wenn nur zwei gegnerische Spieler nicht Vollgas geben, dann schaukeln wir die Partie locker runter. So wird es in der zweiten Halbzeit noch einmal richtig heiß. Wir standen mit dem Rücken zur Wand. Ob der Auswärtssieg verdient war? Aufgrund der ersten Hälfte ja, aber betrachtet man die zweiten 45 Minuten, dann war der Sieg glücklich. In der Frage möchte ich mich nicht festlegen.
Andreas Herrmann (Stürmer TSV Abtswind II): Gerade in der ersten Halbzeit haben wir defensiv komplett gepennt. Wir kriegen den ersten Gegentreffer aus einem verunglückten Rückpass. Das kann natürlich einmal passieren. Kommen aber prompt zurück. Von der Moral kann uns da nichts besseres passieren. Beim zweiten Gegentreffer steht die Mauer wahrscheinlich nicht richtig. Beim dritten Treffer irritiert Michael Rügamer seinen Torwart. Aber wir holen noch vor der Pause den Elfmeter zum 2:3-Anschlusstreffer raus. Dann waren wir dran. Es ist nicht so, dass wir in der ersten Hälfte keine Chancen hatten. Bei uns fehlte ein offensives Aufbauspiel. Ständig lange Bälle in die Spitze. Wir haben kaum von Station über Station die Bälle nach vorne getragen. Nach dem Seitenwechsel war das ein ganz anderes Spiel. Da haben wir viele Bälle in die Box bekommen, auch keine schlechten. In diesen Situationen waren wir den einen Schritt zu spät, um besser an den Ball zu kommen. Das Handspiel von Mühlhausens Verteidiger Steffen Rumpel wird vermutlich von 90 Prozent der Schiedsrichter gepfiffen. Heute halt nicht. Aber das ist keine Entschuldigung. Wir wollen aufsteigen, sind vermutlich die spielerisch beste Mannschaft in der Kreisliga. Da können wir uns nicht an solchen Kleinigkeiten aufhängen. In der zweiten Halbzeit legen wir uns den Gegner richtig zurecht, dann müssen wir in der Lage sein, zwei, drei Mal zu klatschen und dann geht die Partie 6:3 aus.
Eduard-Alin Wellmann (Torwart TSV Abtswind II): Der 1:3-Gegentreffer sah schon kurios aus. Die Flanke kommt hoch rein. Im Rückwärtslaufen stolpere ich fast über Michael Rügamer in meinem Rücken, bekomme trotzdem noch eine Hand an den Ball und der rollt so saublöd über die Fingerkuppen. Von unten bis oben eine schön doofe Situation. Warum wir wieder erst in der zweiten Halbzeit das Fussballen anfangen, das ist schon ein Mysterium. Trotzdem hätten wir mindestens einen Punkt verdient gehabt.
Voller Einsatz an der Linie und in der zweiten Hälfte auch mittendrin: Thorsten Götzelmann