Ein Treffer im letzten Moment erzeugt Glücksgefühle und Gänsehaut

TSV Abtswind – SV Memmelsdorf 2:1 (1:0)

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Siege mit fünf, sechs oder sieben Toren Unterschied – alles schon dagewesen und wahrlich eine stolze Leistung. Die großen Gefühle erzeugen aber Erfolge wie jener gegen den SV Memmelsdorf. Als Daniel Hämmerlein in buchstäblich allerletzter Sekunde zum entscheidenden 2:1 für den TSV Abtswind traf, gab es kein Halten mehr. Ein Gänsehaut-Moment, der das Team noch enger zusammenschweißt und weiter im Rennen um die lukrativen Tabellenplätze hält.

Es klang sehr schicksalhaft, was Petr Skarabela in den Tagen vor dem Spiel von sich gegeben hatte. Das Duell mit dem SV Memmelsdorf sollte seiner Einschätzung zufolge darüber entscheiden, ob sein TSV Abtswind noch einmal den Anschluss an die Spitze findet. Kein Sieg, und die anderen seien auf und davon, meinte der Übungsleiter, der zuletzt Spuren bemerkte, die ein karger Punkt aus zwei Spielen bei seiner Mannschaft hinterließ. Lange Zeit sah es am Samstag tatsächlich danach aus, als müsste sich Skarabela von seinem Saisonziel verabschieden. 1:1 hieß es nach neunzig Minuten. Nur dauert manchmal ein Spiel eben 92 Minuten. „Ich habe noch immer Gänsehaut“, gab der 48-Jährige später zu. Für einen, der als Profi in 127 Zweitligapartien einiges erlebt hat, will das was heißen. Auch ein paar Klassen tiefer kann der Fußball starke Emotionen auslösen. Daniel Hämmerlein war jener, der Skarabela und alle anderen Abtswinder in kollektive Ekstase versetzte. „Hämmer“, wie sie ihn der Einfachheit halber rufen, stand im finalen Auflauf vor dem Memmelsdorfer Tor so goldrichtig, dass er den Ball intuitiv ins Netz hämmerte. Finito, Ende, Abgang. „Eigentlich wollte ich den Gegenspieler sperren, damit Nici Wirsching schießen kann“, erklärte Hämmerlein nachher seinen 2:1-Siegtreffer, der einem hoch und weit hereinfliegenden Freistoß von Jürgen Endres entsprungen war. Doch dann fiel dem aufgerückten Verteidiger selbst der Ball vor die Schuhe. „Ich freue mich für Daniel, der wieder auf ungewohnter Position spielen musste“, brachte Abtswinds Trainer zum Ausdruck, was ihn allerweil zum Improvisieren veranlasste. Als sich der kränkelnde Przemyslaw Szuszkiewicz erschöpft auswechseln ließ, sortierte sich die Abwehrkette neu, verteidigte Hämmerlein nicht mehr im Zentrum, sondern rechts hinten. Die Randerscheinungen sind derzeit die Problemzonen in der Abtswinder Aufstellung: Auf den Außenpositionen ist das Team dünn besetzt. Ausfälle hier sind schwer zu kompensieren. Petr Skarabela wurde deshalb kreativ: Peter Mrugalla, sonst in der Sturmmitte zu finden, mutierte zum rechten Flügelspieler – und fand dort eine neue, bislang unbekannte Bestimmung. „In der zweiten Halbzeit war er unser bester Mann. Er hat das Spiel angekurbelt und ist viele Angriffe gelaufen“, sagte Petr über Peter. Und: „Er ist eine zusätzliche Alternative und kann noch besser werden.“

Hart im Nehmen: Der Abtswinder Peter Mrugalla wirft sich in allen Lagen ins Getümmel.

Mit der Leistung verhielt es sich bei Mrugalla entgegengesetzt zum restlichen Team: Während der 27-Jährige im ersten Durchgang Zeit zum Eingewöhnen beanspruchte, machten die Mitspieler einen sehr souveränen Eindruck. Besonders weil defensiv alles so perfekt lief, dass der Gegner nicht den zarten Hauch einer Torchance besaß. Und vorne ist Abtswind immer für ein Törchen gut: Steffen Barthel beendete seine kleine Durststrecke mit dem immerhin neunten Saisontor. Mit Memmelsdorfs Pascal Schneider spielte er Billard, dass die Kugel über Bande sanft in die Maschen rollte (22. Minute). Mit Szuszkiewiczs Flanke auf Adrian Graf, der im Flug in die Arme von Memmelsdorfs Keeper Florian Dörnbrack köpfte und damit nochmals Gefahr versprühte, endete die erste Hälfte sehr zur Zufriedenheit von Petr Skarabela. Dass die Gäste nicht ganz zu Unrecht zur besseren Ausstattung der Landesliga zählen, zeigten sie nach der Pause. Und das obwohl mancher auf einer Position spielen musste, „wo er nicht aufgehoben ist“, wie Trainer Rolf Vitzthum anmerkte. Auch er musste einige Akteure ersetzen. „Weh tut uns momentan, dass Michael Wernsdorfer nicht spielt. Zentral ist er eine Wucht. Die Bälle, die er nach vorne leitet, zeugen von Qualität.“ Da passte der Ausgleich zum 1:1 ins Bild. Der Treffer war mehr dem Glück geschuldet als spielerischer Raffinesse. Erst rutschte Abtswinds Carl Murphy auf dem triefenden Rasen aus, was Philipp Hörnes den Freiraum zum Schießen ließ, dann prallte der Ball auch noch Daniel Hämmerlein ans Bein. Derart abgelenkt ging das Leder genau ins andere von Schlussmann Florian Warschecha vermutete Eck (51.). Das Tor aus dem Nichts machte die Begegnung richtig flott. Abtswind war sich im Klaren, dass nur drei Punkte gegen einen direkten Konkurrenten weiterhalfen. Mehr Offensive öffnete gleichzeitig Lücken für die anderen. Peter Mrugalla trat mehrmals hintereinander in Erscheinung, mal als Passgeber, mal als versuchter Vollstrecker. Hinten brach derweil die kritische Zeit an. Als eine Stunde vorbei war, häuften sich die Möglichkeiten der Oberfranken aus dem Bamberger Land. Gegen Nicolas Müller rettete Warschecha. Manuel Schwarm hinderte der Pfosten. Und gegen den langgezogenen Schuss von Pascal Schneider musste Abtswinds Torverhinderer Florian Warschecha sich extrem strecken. Das alles geschah innerhalb von zwei Minuten. „Memmelsdorf war zeitweise besser als wir“, sagte Skarabela. Doch dank Daniel Hämmerlein konnte er sein Glück später kaum fassen.

Michael Kämmerer

Abtswinds Steffen Barthel (links) trifft trotz der Gegenwehr durch den Memmelsdorfer Pascal Schneider zur 1:0-Führung.

Das Spiel in der Statistik

TSV Abtswind: Florian Warschecha – Carl Murphy, Daniel Hämmerlein, Adrian Graf, Przemyslaw Szuszkiewicz (60. Jörg Otto) – Jonas Wirth, Nicolas Wirsching, Peter Mrugalla, Thilo Wilke (77. Pascal Kamolz) – Steffen Barthel (86. Frank Hartlehnert), Jürgen Endres.
SV Memmelsdorf: Florian Dörnbrack – Pascal Schneider, Wladislaw Nikiforow, Nicolas Müller, Jonas Hummel (60. Peter Koch) – Manuel Schwarm, Markus Saal, Philipp Hörnes, Markus Beiersdorfer – Tobias Seifert, Elson Pllumbi (71. Thomas Kamm).
Schiedsrichter: Holger Hofmann (Langenfeld); Assistenten: Nikolai Kraus (Emskirchen), Fabian Bauer (Markt Nordheim).
Zuschauer: 120.
Gelbe Karten: Jürgen Endres, Peter Mrugalla, Jonas Wirth (Abtswind); Markus Saal, Manuel Schwarm, Wladislaw Nikiforow (Memmelsdorf).
Tore: 1:0 Steffen Barthel (22.), 1:1 Philipp Hörnes (51.), 2:1 Daniel Hämmerlein (90.+2).

Stimmen zum Spiel

Petr Skarabela (Trainer TSV Abtswind): „Ich habe noch immer Gänsehaut. So ein Spiel gibt es jedes Jahr ein-, zweimal. Die erste Halbzeit war richtig gut, vor allem weil wir den Gegner nicht zu Chancen kommen ließen. Memmelsdorf steht allerdings nicht umsonst mit so vielen Punkten vorne. Wir hatten nach der Pause zwanzig Minuten lang Probleme gegen diese junge, willige Mannschaft, die zeitweise besser war als wir. In der Schwächeperiode haben wir uns viele Ballverluste geleistet. Manchmal stottert es noch bei uns. Ein Punkt aus den letzten zwei Spielen – das hinterlässt Spuren. Wir sind eine Mannschaft, die in der Liga polarisiert. Alle spielen gegen uns volle Kanne. In der Schlussphase haben wir die Freiräume genutzt, die uns Memmelsdorf angeboten hat. Am Ende war das Glück auf unserer Seite, zum ersten Mal in dieser Saison. Der Ball rutscht einmal durch, und wir waren da. Zuvor hatten wir schon öfters Pech. Jetzt sind wir in der Tabelle wieder oben dran.“

Rolf Vitzthum (Trainer SV Memmelsdorf): „Irgendwie liegt mir Abtswind nicht so. Das musste ich letztes Jahr schon feststellen, als wir mit zwei Verletzten aus dem Spiel gingen und in letzter Minute die Siegchance vergaben (2:2). Mit unserer zweiten Halbzeit bin ich einverstanden. Wir haben nie aufgehört, nach vorne zu spielen. Abtswind hat uns viele Räume gegeben. Der Ball hätte genauso gut zu unseren Gunsten reinrutschen können. Spielerisch haben wir nicht das Gelbe vom Ei gezeigt. In Ansätzen haben wir sehr viele Möglichkeiten nicht sauber zu Ende gebracht. Personell war es sehr eng. Von der Bank konnte ich mit Peter Koch nur einen fitten Spieler bringen. Mit unserer jungen Mannschaft müssen wir Geduld haben. Die Niederlage wirft uns hoffentlich nicht um. Ein 1:1 wäre gerecht gewesen. Meine Mannschaft kann in der Liga mitspielen. Wie es im Detail läuft, entscheiden Kleinigkeiten. Hätten wir heute den Lucky Punch gesetzt, wäre unsere Euphorie jetzt noch größer.“

Peter Mrugalla (TSV Abtswind, neuerdings Rechtsaußen): „Der Sieg besitzt eine andere Qualität als ein 8:1 oder 9:2. Das ist heute eine emotionale Geschichte. Das bringt die Mannschaft noch näher zusammen. Unsere erste Halbzeit war überragend. In der zweiten waren wir einige Zeit schläfrig. Beide Mannschaften haben gekämpft ohne Ende. Wir dürfen auch mal das Glück beanspruchen. Überrascht war ich nicht, dass ich auf der rechten Seite gespielt habe. Das hatte der Trainer schon unter der Woche angesprochen. Wir wollten es mal probieren, und es hat ganz gut funktioniert. Ich hoffe, das war eine gute Bewerbung für die nächsten Spiele, auch wenn damit mehr Laufarbeit verbunden ist und ich mehr nach hinten arbeiten muss. Ich bin ganz gut zurechtgekommen. Ich bin nach meiner langen Verletzung wieder körperlich fit, aber noch lange nicht der Alte. An der Form muss ich noch feilen. In den nächsten Monaten wird es hoffentlich weiter aufwärts gehen, sodass ich nach der Winterpause wieder bei hundert Prozent bin. Über Außen ist es leichter, mit Tempo an den Gegnern vorbeizukommen, als im Zentrum den Ball anzunehmen.“

Hatten gut lachen: Abtswinds Peter Mrugalla und sein Trainer Petr Skarabela.

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