„Aus unseren Chancen machen wir zu wenig“
TSV Abtswind II – SG Poppenhausen/Kronungen 1:1 (0:0)
Ende April, der Wind bläst, die Temperaturen bewegen sich irgendwo zwischen Zimt geschwängertem Glühwein und beheizter Rheuma Decke. Bestes Fußball Wetter, meint der Wetterfrosch und wird prompt von seiner hohen Leiter geschubst. Zu Recht, dieses sarkastische Aas soll mal Brainstorming halten mit Frau Holle, der Sommerfee und allen Beteiligten, die für diesen Spätwinter verantwortlich zeigen.
Wir brauchten früher keine große Reise,
wir wurden braun auf Porkum und auf Syld.
Doch heute sind die Braunen nur noch Weiße,
denn hier wird man ja doch nur tiefgekühlt.
(Rudi Carrell, aus dem Album „Goethe war gut“)
Alles Jammern hilft nichts. Im Abstiegskampf zählt jeder Punkt, da muss man bei jedem Dreckswetter ran. Ein kurzer Blick auf die jeweilig dünn besiedelte Ersatzbank zeigt, da laufen zwei Teams personell auf dem wund gescheuerten Zahnfleisch. Trotzdem gibt Abtswind von Beginn an den spielerischen Ton an. Die Elf von Trainer Elio Trasente steht tief, dicht gestaffelt, man könnte behaupten mit dem Rücken zum Fangzaun. Bereits in der dritten Minute serviert Mladen Grujic scharf vors Poppenhäuser Tor. Mit voller Breitseite schwartet Patrick Hock die flutschige Pille knapp am Tor vorbei. Das hätte es bereits sein können, ja vielleicht müssen.
Wer ist hier der nervöse Hase, wer die Schlange? Gästecoach Elia Trasente gibt beredt Antwort und rauft sich in der ersten Halbzeit mehrmals seine kurz geschorene Wolle. Tief stehen ist das eine. Dermaßen rein gedrückt zu werden, dem Abtswinder Pressing sehnsuchtsvoll nachzugeben, das stand vermutlich nicht in seinem Matchplan. Dennoch lassen seine Schützlinge defensiv wenig zu. Der Chronist verzeichnet wenige, dafür umso hochkarätigere Abtswinder Torgelegenheiten. Nach einer knappen halben Stunde bringt Andy Herrmann einen Eckball scharf, präzise herein. Mladen Grujic, heute absolut herausragender Akteur in grün und weiß, köpft scharf aufs kurze Eck. Außenverteidiger Patrick Hesselbacher klärt per Kopf auf der Linie.
Kurz vor dem Seitenwechsel vermutlich die kniffligste Szene der gesamten Partie. Überfallartiger Abtswinder Angriff über die starke rechte Seite. Abtswinds Mittelstürmer Aljoscha Keßler schildert die Szene: „Ich lege den Ball am gegnerische Keeper vorbei, möchte dann direkt aufs Tor ziehen, und im Strafraum räumt mich der Torwart kompromisslos um.“ Zur Verwunderung der Zuschauer entscheidet der Unparteiische sofort auf weiterspielen. Kein Foul, keine Karte, kein garnix. „Das ist mir absolut schleierhaft“, meint der vermeintlich Gefoulte Achsel zuckend und schiebt nach: „Allerdings auch in der zweiten Halbzeit haben wir aus unseren Chancen zu wenig gemacht.“
Nach dem Seitenwechsel das gewohnte Bild. Man kann es nicht anders beschreiben, als ein zielgerichtetes Spiel aufs Poppenhäuser Tor. Die Gäste rennen von einer Verlegenheit in die andere. Beinahe hätte Patrick Hesselbach das Eigentor des Jahres fabriziert. Kurz zum Plot: Abtswind fängt den Gegenangriff bereits in der gegnerischen Hälfte ab. Dann geht es schnell nach vorn. Andy Herrmann schickt Janek Wendt auf der rechten Seite. In dessen scharfe Hereingabe springt Poppenhausens Rechtsverteidiger beherzt hinein und fälscht unkontrolliert ab. Vernehmlich ploppt die Pille am kurzen Pfosten auf und flutscht durch Freund und Feind ins Nirwana. Smells like Aluminium! Kurz darauf spielt Michael Rügamer seinen linken offensiven Nebenmann an. Aus 8 Metern scheitert Andy Herrmann am gut reagierenden Poppenhäuser Schlussmann. Ja, Felix Hofmann wirft sich in alles, was sich so bewegt. Meist mit dem Erfolg des Tüchtigen, ansonsten rettet ein Verteidiger. Der Führungstreffer liegt in der Luft, was Mladen Grujic offensichtlich wörtlich nimmt. Nach einem Traumzuspiel durch die Mitte (einmal zu viel hebt der unglücklich agierende Patrick Hesselbach das Abseits auf), toppst der Ball hoch auf. Felix Hofmann eilt aus seinem Kasten und kommt doch zu spät. Mit dem glatten Scheitel bugsiert Abtswinds Offensivallrounder die Pille über den verdutzten Torwart hinweg ins Netz.
Die Gäste sind angeknockt, jedoch noch lange nicht geschlagen. Nach feiner Vorarbeit von Oliver Döring scheitert Eric Köhler aus dem Rückraum an der allseits mächtige Gravitation. Um einen knappen Meter streicht sein Pfund aus circa 15 Metern Tordistanz über die Querlatte hinweg. Das wäre die Entscheidung gewesen. Stattdessen kommt die große Stunde von Daniel Greubel. Schaltzentrale, aggressive leader, omnipräsent auf dem weiten Feld, feuert Poppenhausens Routinier seine Mitspieler zur ultimativen Kraftanstrengung an. Wollt ihr das totale Unentschieden? Vielleicht, muss aber nicht unbedingt sein, möchte man als Heimfan sagen. Er, der Greubels Daniel, hat da seine eigene Meinung dazu. Mehrere scharf hereingebrachte Freistöße später reicht ein simpler Einwurf, und der Poppenhäuser stochert den Ball an Abtswinds Keeper Julian Beßler vorbei in die Maschen.
Eiskaltes Händchen kurz vor Schluss. Und die Gäste wagen nun mehr, setzen alles auf Rot, auf Angriff, auf Sieg. Die letzte große Chance bekommt allerdings die Heimelf. Auf der linken Seite wuselt sich Andy Herrmann bis zur Grundlinie durch und flankt weit auf den langen Pfosten. Unbedrängt steht Aljoscha Keßler, fixiert das hereinkommende Kunstleder und schiebt den Ball mit der Breitseite am langen Pfosten vorbei. Und dann ist Schluss.
Heute gibt es keine zwei Meinungen. Abtswind trauert zwei verlorenen Punkten hinterher, die im Abstiegskampf so wichtig gewesen wären. Das Remis nützt nur einem. Poppenhausen feiert postfaktisch den Klassenerhalt.
Matthias Ley
Das Spiel im Überblick:
TSV Abtswind II: Julian Beßler – Michael Rügamer, Christoph Kniewasser, Christoph Hofmann, Janek Wendt – Eric Köhler – Andreas Herrmann, Mladen Grujic, Johannes Knorr, Patrick Hock – Aljoscha Keßler. Einwechselspieler: Oliver Döring, Tobias Holzberger, Frank Hufnagel, Velibor Teofilovic.
SG Poppenhausen/Kronungen: Felix Hofmann – Patrick Hesselbach, Dominik Wolf, Tobias Fenn, Dat Phan-van – Patrick Pfaff, Nunzio De Donato, Artur Czajka, Dominik Fenn – Jan Wolf, Daniel Greubel. Einwechselspieler: Patrick Häußer, Alexander Haas.
Schiedsrichter: Simon Wieland (Schweinfurt)
Zuschauer: ca. 50
Gelbe Karten: Christoph Hofmann (Abtswind II) – Dat Phan-van, Patrick Pfaff, Nunzio De Donato (Poppenhausen/Kronungen)
Tore: 1:0 Mladen Grujic (59.), 1:1 Daniel Greubel (85.).
Die Stimmen zum Spiel:
Frank Hufnagel (Co-Trainer TSV Abtswind II): „Einmal mehr waren wir die spielbestimmende Mannschaft auf dem Feld. Einmal hinten nicht aufgepasst, und schon kriegen wir so einen Apfel. Nach einem simplen Einwurf, das kann einfach nicht wahr sein. Dabei hatten wir genug Chancen, um früh klarer in Führung zu gehen. Auch nach dem Ausgleich, wenn Aljoscha Keßler in der Schlussphase trifft, dann steht es 2:1 und die Messe ist gelesen. So greinst du wieder zwei Punkten hinterher. Und kommende Woche gegen Niederwerrn / Oberwerrn, das wird auch kein Selbstläufer. Da haben wir schon das Hinspiel verloren. Jetzt muss die Mannschaft Moral zeigen, Charakter zeigen, gegen den Abstieg. Kämpferisch und vom Engagement her hat mir das heute schon gut gefallen, bis auf diese 5 Minuten her, Mitte der zweiten Halbzeit, als sich die Jungs selbst angeschrien haben. Aber Emotionen gehören dazu. Und sie haben sich ja sofort wieder zusammengerissen und weiter gespielt. So muss es sein.“
Oliver Döring (Spieler TSV Abtswind II): „Die erste Halbzeit haben wir absolut dominiert, hinten nichts zugelassen und vorne leider die wenigen Chancen liegen gelassen. Wir führen lange verdient mit 1:0. ich fand es Sau ärgerlich, wie wir das Gegentor kassiert haben. Durch einen einfachen Einwurf, was absolut bitter war. Wir hätten den Sieg absolut verdient gehabt.
Nach der langen Pause kam das Spiel eigentlich zu früh für mich. Aber in der jetzigen, angespannten Personallage bin ich eingesprungen. Ehrensache, mich in den Dienst der Mannschaft zu stellen. Auch wenn die Leiste wieder zwickt. Ich wollte versuchen, zu helfen, so gut es irgendwie geht. Das Kribbeln ist da. Ich bin heiß drauf, aufzulaufen, meinen Teil dazu beizutragen, dass wir erfolgreich sind. Aber der Körper muss mitmachen. Auf dem Platz macht der Körper leider noch nicht, was der Kopf will. Das ist dem Fitnesszustand geschuldet. Im Sommer hoffe ich, wieder schmerzfrei angreifen zu können.“
Aljoscha Keßler (Spieler TSV Abtswind II): „Von Beginn an waren wir klar besser. Kurz vor der Pause müssen wir einen klaren Elfmeter bekommen. Poppenhausens Torwart Felix Hofmann rennt mich klar um. Ich habe den Ball an ihm vorbei gelegt, wollte direkt aufs Tor abziehen, und im Strafraum räumt mich der Kerl kompromisslos um. Wieso der Schiedsrichter weiterlaufen lässt, ist mir schleierhaft. Ich wurde klar unten abgeräumt. Aber wenn der Schiri nicht pfeift, ist es halt so. Auch in der zweiten Halbzeit haben wir aus unseren Chancen zu wenig gemacht. Das war heute ein Spiegelbild der gesamten Saison. Wenn wir das erste Tor mach, schaffen wir es einfach nicht, das zweite und dritte nachzulegen. Auf einmal wird’s dann eng hinten raus. So wie man es heute wieder gesehen hat. Ein Ding hat gereicht, und schon wieder stehen wir mit zwei Punkten weniger da. Gegen Essleben hat die Einstellung schon stark. Heute hat es auch wieder gepasst, was mir Zuversicht für die letzten Spiele gibt. Wir packen den Klassenerhalt.“
Seit Wochen in bestechender Form: Mladen Grujic heute mit einem Traumtor per Scheitelschwinger