Ein torloses Remis der ungerechteren Art
TSV Abtswind II – SV Stammheim 0:0
Letzter Auftritt der Reserve im Jahr 2016, glatte 12 Monate mit mehr Tiefgründigem als Höhenluft. Und als Abschluss, quasi das Finale Furiosum, noch ein torloses Unentschieden der besonderen Art. Welches Ding man am deutlichsten vernommen hat?
„Ich habe heute wenigstens drei Mal das Tor getroffen!“ Diese Meinung hat Michael Herrmann beileibe nicht exklusiv gepachtet. „Hörmi“, wie er im Abschwinner Dialekt betitelt wird, bringt das Kunststück fertig, bei einem torlosen Unentschieden gleich drei Mal das Tor zu treffen. Direkt, also recht frontal betrachtet, volle Klebe aus jeweils 25 Metern Tordistanz. Voll ans Aluminium. Jeweils dumpf tönend über den Nebenplatz der Kräuter Mix Arena. Sein Widerpart, Stammheims Schlussmann Marcel Klein, sieht diese Versuche erfrischend relaxt: „War klar, dass ich an solche Dinger nicht heran komme.“ Coole Socke, dieser Marcel Klein. Eigentlich nicht die erste Wahl, wenn Stammheims Trainer Andreas Karl die Torwart Position besetzt. In der Regel findet man Marcel im offensiven Mittelfeld oder gleich ganz vorne im Sturm. „Aber wenn es zwickt, stellt man sich halt in den Dienst der Mannschaft.“
Bei Stammheim zwickt es nicht nur, es pikst personell auf vielen Positionen. „Wir sind ersatzgeschwächt in die Partie gegangen. Ohne echten Keeper angereist. Mit Markus Johnke und Johannes Dereser hatten wir zwei schwerwiegende Ausfälle“, berichtet Andreas Karl nach Abpfiff. Personell gebeutelt, gerät die Taktik, den Ball weit vor dem eigenen Kasten zu halten, in Schieflage. Bis auf zwei aussichtsreiche Konter, jeweils eine pro Halbzeit, gelingt den Gästen kaum etwas in der Offensive. Dafür sind Frank Wirsching, Magnus Wieland und auch Sturmspitze Matthias Hübner zu sehr in der defensive gefordert. Oder wie es Abtswinds Außenstürmer Andres Herrmann formuliert: „Das war definitiv ein Spiel auf ein Tor!“ und schiebt erklärend hinterher, dass er solch radikale Schwarz-Weiß Aussagen normalerweise vermeidet.
Nach dem Seitenwechsel sehen die durchgefrorenen Zuschauer das gewohnt einseitige Bild. Mit der bemerkenswerten Ausnahme, dass die Frequenz an Abtswinder Torraumszenen stetig abnimmt. Dafür steigt die Qualität deutlich. Von Michael Herrmann´s Aluminium Knutschern abgesehen, haben so ziemlich alle Abtswinder Offensivakteure so ihre individuellen Begegnungen mit Stammheims Defensive. Und wenn sonst nichts hilft, pariert der Aushilfskeeper Marcel Klein mit einigen Glanzparaden, was so auf seinen Kasten kommt. Eine irre Partie, die sich irgendwann wohl entspannt und Zähne klappernd in die dritte Halbzeit verabschiedet. Jetzt ist erst Mal Winterpause. Die Zeit für Familie, Freunde, Glühwein, Fifa98 und Hallenfußball als Ersatz Methadon.
Matthias Ley
Das Spiel im Überblick:
TSV Abtswind II: Eduard-Alin Wellmann – Michael Rügamer, Christoph Hoffmann, Christoph Kniewasser, Markus Golombek – Eric Köhler, Sven Gibfried – Jona Riedel, Andreas Herrmann, Patrick Hock – Aljoscha Keßler. Einwechselspieler: Mladen Grujic, Manuel Pauly, Julian Beßler, Velibor Teofilovic.
SV Stammheim: Marcel Klein – Max Seißinger, Julian Hering, Stefan Wieland, Manuel Reusch – Magnus Wieland, Alexander Schug, Frank Wirsching, Patrick Müller – Matthias Hübner, Benjamin Pilz Einwechselspieler: Patrick Hartmann, Patrick Moller.
Schiedsrichter: Harald Wenzel (Rimpar)
Zuschauer: ca. 60
Gelbe Karten: Eric Köhler (TSV Abtswind II) – Julian Hering, Alexander Schug, Patrick Moller (SV Stammheim)
Tore: Nö, nüschd, niente.
Die Stimmen zum Spiel, nebelfrisch vom Spielfeldrand:
Velibor Teofilovic (Trainer TSV Abtswind II): „Endlich Winterpause. Wenn man über das Spiel reden muss, meinen vermutlich viele, das Null zu Null wäre ein gerechtes Ergebnis. Meiner Meinung nach geht das Ergebnis absolut nicht in Ordnung. Bis auf zwei Szenen, jeweils eine pro Halbzeit, haben wir in der Verteidigung nichts zugelassen. Und vorne vergeben wir reihenweise beste Gelegenheiten. Im zweiten Durchgang treffen wir drei Mal die Latte. Heute haben wir zwar nicht gewonnen, aber vom Spiel her, von dem, was meine Jungs gezeigt haben, bin ich doch sehr zufrieden. Von der ersten bis zur letzten Minute haben sie alles richtig gemacht. Spiel über die Flügel, Verschieben, Doppelpässe, variabel angegriffen, den Torabschluss gesucht. Alles, was der Fußball hergibt, die komplette Klaviatur wurde heute geboten. Es ist zum Verzweifeln. Der Fußballgott, oder irgendein höheres Wesen möchte nicht sehen, wie wir uns selbst belohnen. Schade, aber in der Vorbereitung geben wir Vollgas und dann kommt der Erfolg von allein.“
Andreas Karl (Trainer SV Stammheim): „ Insgesamt bin ich mit dem Punkt zufrieden. Wir sind ersatzgeschwächt in die Partie gegangen. Ohne echten Keeper angereist. Mit Markus Johnke und Johannes Dereser hatten wir zwei schwerwiegende Ausfälle. Das muss man erst mal kompensieren. Fakt ist, nach zuletzt drei Niederlagen in Serie, bin ich mit dem Punkt zufrieden. Abtswind ist stark aufgetreten, hatte einige aussichtsreiche Torabschlüsse, hat auch zwei, drei Mal die Latte getroffen. Uns ist hingegen offensiv wenig gelungen. Aber jetzt ist erst man Pause.“
Andreas Herrmann (Spieler TSV Abtswind II): „Jeder Zuschauer hat ein Spiel auf ein Tor gesehen. Normalerweise formuliere ich das nicht so einseitig. Aber ich war irgendwie auch geschockt, wie harmlos Stammheim offensiv aufgetreten ist. Wir haben es gut gemacht, standen hinten stabil und haben bis auf zwei Szenen nichts zugelassen. Wir hatten wieder viel Ballbesitz, auch wenn nicht viel Zählbares dabei raus gesprungen ist. Daran müssen wir arbeiten. Defensiv stehe wir in letzter Zeit recht gut. Aber vorne muss die Chancenauswertung besser werden. Uns fehlen hier die zwingenden Aktionen, die auch konsequent verwertet ins Tor gehen können. Insgesamt sind wir auf einem guten Weg. Wenn wir in der Vorbereitung Gas geben, einen Siegesserie starten, dann können wir die Saison noch retten. Ansonsten gurken wir ohne echtes Saisonziel im Niemandsland der Tabelle herum.“
Marcel Klein (Keeper SV Stammheim): „Normalerweise fühle ich mich eher im offensiven Mittelfeld zuhause. Aber vor Urzeiten einmal stand ich auch zwischen den Pfosten. Lang , lang ist´s her, aber man stellt sich halt in den Dienst der Mannschaft. Unser etatmäßiger Torwart hat die Männergrippe. Als Alternative blieb halt ich nur übrig. Und dann gibt man sein Bestes. Das Null zu Null ist aus meiner Sicht für beide Seiten gerechtfertigt. Heute war es schwierig, offensiv aufzutreten. Unser Stammstürmer ist verletzt. Dann fehlten noch zwei Mann in der Defensive. Deshalb mussten wir arg umstellen. Vielleicht kam deshalb auch so wenig Entlastung. Wir sind froh, dass jetzt Pause ist.“
Wenn der Trainer davon spricht, dass Stammheim kaum offensiv in Erscheinung getreten ist, dann ist das auch sein verdienst: Christoph Kniewasser