„Lernt draus, dann passt der Lack im nächsten Spiel“
FC Gerolzhofen – TSV Abtswind II 0:3 (0:1)
Unter Umständen besitzen warnende Trainerprognosen ein gewisses Gewicht, welches Außenstehende so nicht verinnerlichen können. Hatten Patrick Gnebner und Robert Brenner als einzige Szenekenner Recht, als sie den FC Gerolzhofen als Meisterfavoriten ins Rennen schickten? Im nach Jahren wieder einmal aufgelegten Steigerwald Derby hatten die Hausherren jedenfalls alle Trümpfe auf einer Hand und spielten diese auch geschickt aus. Das 3:0-Endergebnis entspricht auch in dieser Höhe den Spielanteilen sowie der Chancenverteilung.
Sodala, die erste halbe Stunde schenken wir uns. Beide Teams akklimatisieren sich an schwül heißes Spätsommerwetter sowie an den großen Platz, mühen sich redlich, ohne der Spannungskurve das leiseste Jauchzen zu entlocken. Kindheitstraumata kommen auf :„Dr. Schiwago“ (Endlose russische Landschaften). Eine modernere Methapher für unsere jugendlichen Leser sei Dr. House, der griesgrämig in seinem Namen spendenden sitzt und gespannt auf die Herzrhythmus-Sinuskurve blickt. Bei Kerntemperatur „Gefriekombi“ zuckt da auch nicht mehr viel, wie der Brandner-Kasper keck meckern würde. Kurzzeitig belästigt Markus Schambergers Abschluss, direkt in die Arme von Gerolzhofens Torwart Florian Ullrich, die schlafende Zuschauermenge. „The crowd not waking up“ (Bunji Garlin) und weiter „the atmosphere have vybz“. Klappt so auch nur im Reggae-Song. Im echten Leben kratzt sich hier und da mal ein Beobachter unmotiviert am 3-Tage-Bart oder schlürft koordinativ am 3-Funger-Joe (sommerlich gemixte Weinschorle).
Das vegetative Nervensystem schleppt sich dem Sonnenaufgang entgegen. Vielleicht spüren die Kicker auf dem Platz, welchen Schaden sie mit ihrem einschläfernden Stil dem modernen Fußball anrichten. Denn langsam, ganz allmählich nimmt die Partie Fahrt auf. Klar, es dominieren immer noch harte Zweikämpfe, Fehlpässe und intensive Laufduelle ins weite Gerolzhöfer Umland hinter den beiden Toren. Als Zuschauer spürt man, die Kicker auf Rasen streifen langsam dieses hemmende Korsett weg, welches aus der Maxime resultiert „ja kenn Fehler, Jungs!“. Spätestens Julian Zehnders Kracher ans Abtswinder Aluminium sorgt für frümorgendliche Stimmung („Mariaaaa, wo is mei Kaffee?“). Und plötzlich eskaliert die Stimmung zu einem höflichen Szeneapplaus. Timo Jopp zirkelt einen Freistoß herein. Gerolzhofens Spielertrainer Julian Göbel gewinnt das Kopfballduell gegen Christoph Kniewasser. Beim Klärungsversuch wird Markus Golombek klar von hinten angegangen, quasi als Hemmnis entsorgt. Niklas Wilhelm nutzt den Freiraum und spitzelt die Pille in die Maschen. Ein Tor, das in dieser Form nie gelten dürfte. Aber in Zeiten, wo ein Donald Präsident spielt und ein Schulz Kanzler werden möchte (Bäuerchen – „eins, zwo, drei Schuuulz“) ist dieses Tor ebenso erdig wie der Wahrheitsgehalt einer Pressemitteilung aus türkischen Präsidialamt.
Etwas gutes haftet diesem irregulären Treffer an. Nach der Pause agieren beide Seiten offensiv mutiger. Abtswinds Landesligareserve, arg dezimiert durch diverse Ausfälle (Eduerd-Alin Wellmann, Urlaub, Eric Köhler, Christoph Hofmann, später auch Daniel Kaminski, verletzt, um nur einige zu nennen), müht sich redlich. Spielertrainer Robert Brenner kommt zu seinem ersten Auftritt in grün-weiß. Oliver Döring feiert ein überraschend starkes Comeback. Personell zieht Abtswinds Trainerduo die verbliebenen Trümpfe. Tobias Holzberger stellt sich in die defensiv auf Dreierkette umgestellte taktische Aufstellung und dichtet den Laden hinten konsequent ab. Das Gästerezept, mit langen, hohen Bällen auf die Außenpositionen, verfängt sich ein ums andere Mal in der Gerolzhöfer Hintermannschaft. Die Hausherren agieren mit bewährten Mitteln. Freistoß durch Spezialist Timo Jopp auf den lang aufgeschossenen Julian Göbel oder Markus Stühler ist da wirksamer. Nach etwa einer Stunde Spielzeit der entscheidende Doppelschlag: Zunächst setzt Timo Jopp aus spitzem Winkel einen satten Freistoß an Freund und Fein vorbei ins lange Eck. Keine zwei Zeigerumdrehungen später köpft Julian Göbel erneut einen Jopp-Freistoß per Aufsetzer in Abtswinds Maschen.
Die Gäste geben sich nicht geschlagen. Der Kopf ist willig, allein die Mittel sind begrenzt. Oliver Dörings Abschluss nach öffnendem Diagonalpass durch Patrick Gnebner rauscht flach einen knappen Meter am langen Pfosten vorbei. Johannes Knorrs Torschüsschen sei hier nur am Rande erwähnt. Gegen Ende dominiert der FC Gerolzhofen Ballbesitz in Bayern Manier und schaukelt die Partie zu einem sanften Ende. Nach Jahren der Absenz im BFV-Rahmenterminkalender hat man sich von dieser Partie mehr Rasse, auch mehr Klasse versprochen. Zum guten Beschluss bekommt der Zuschauer doch etwas vom alten Glanz vergangener Jahre.
„Boanlkramer, was muaß i‘ vo‘ Dir hörn? Du führst Di‘ schö‘ auf, spielst mi’n Brandner-Kasper um’s Leb’n und verlierst no‘ ob’ndrei‘! Was san dees für Sachan, wie ko’st Di‘ so ebbas untersteh‘?!“, so Petrus zum verdutzten Sensenmann. Der FC Gerolzhofen, im Gewand der spitzbübigen Brandner Kasper, spielt nach drei Auftaktniederlagen mutig auf und gewinnt zurecht das Steigerwald-Derby. Die zweite Abtswinder Mannschaft darf sich die Trainermaxime anhören: „ Lernt draus, dann passt der Lack im nächsten Spiel!“
Matthias Ley
Das Spiel im Überblick:
FC Gerolzhofen: Florian Ullrich – Alexander Kraus, Ingo Willcker, Chistoph Herbig, Jonas Göbel, Andre Weimann, Markus Stühler, Timo Jopp, Julian Göbel, Niklas Wilhelm, Julian Zehnder. Einwechselspieler: Fabian Weingärtner, Frank Gehring, Marcel Russ, Florian Scharf, Jörg Bergmann.
TSV Abtswind II: Thomas Klein – Daniel Eberhardt, Tobias Holzberger, Johannes Knorr, Christoph Kniewasser, Daniel Kaminski, Patrik Gnebner, Markus Golombek, Julian Beßler, Markus Schamberger, Patrick Hock. Einwechselspieler: Michael Rügamer, Robert Brenner, Christoph Hofmann, Oliver Döring, Johannes Primus.
Schiedsrichter: Stefan Kuffer
Zuschauer: ca. 100
Gelbe Karten: Anfre Weimann, Julian Göbel, Niklas Wilhelm (Gerolzhofen) – Daniel Kaminski, Markus Schamberger, Oliver Döring (Abtswind II)
Tore: 1:0 Niklas Wilhelm (41.), 2:0 Timo Jopp (55.), Julian Göbel 3:0 (59.).