Abtswinds Kapitän Michael Herrmann spricht aus, was die Gemüter bewegt, und rät zur Demut
Bayern Kitzingen – TSV Abtswind 0:0
Mit einer Fünferabwehrkette versuchte Bayern Kitzingen dem erwarteten Sturm und der Drang der Abtswinder beizukommen. Der taktische Winkelzug half zumindest, dass sich das Team von Trainer Frank Wettengel schadlos hielt gegen die zahlreichen Angriffe des Gegners. Doch auf der anderen Seite stand nach neunzig überaus fairen Minuten ebenfalls die Null. Unter dem Strich war es ein torloses Unentschieden der besseren Sorte.
Nach der Hitze des Gefechts sprach der Kapitän kühl aus, was die Gemüter bewegte. „Wir sollten Demut zeigen“, sagte Michael Herrmann im Anschluss an das Landesliga-Derby seines TSV Abtswind bei den Kitzinger Bayern. Und weiter: „Wir sollten uns auf die nächsten Spiele konzentrieren, statt an die Platzierung am Saisonende zu denken. Ich will gar nicht so weit vorausschauen.“ Schon wieder hatte es für Herrmanns Team nicht zu drei Punkten gereicht. Wenn das so weitergeht, läuft Abtswind Gefahr, abgehängt zu werden – von der Konkurrenz und seinem selbstgesteckten Ziel, ein weiteres Mal ganz oben anzugreifen. Der Abtswinder Leitwolf tat gut daran, Druck von der Mannschaft zu nehmen und die Erwartungen ein Stück zurückzuschrauben. Man muss nur ein wenig Sachverstand mitbringen, um zu erkennen, dass Abtswind mit gegenwärtig dreizehn Zählern auf der Habenseite zu wenig aus seinen Möglichkeiten gemacht hat.
„Wir haben uns schon genug Ausrutscher erlaubt“, gab Michael Herrmann zu bedenken. Ob die den Klub schon jetzt der größten Hoffnungen beraubt haben, darüber mochte der 24-Jährige nicht spekulieren. Die Liga beweist jede Woche aufs Neue, mit welchen unerwarteten Ergebnissen sie aufwartet. Immerhin, das Derby-0:0 zwischen Kitzingen und Abtswind ließ sich nicht in diese Schublade stecken. Die Aufeinandertreffen waren in den zurückliegenden Spielzeiten stets enge Angelegenheiten gewesen. Obendrein setzten die jüngsten Negativerlebnisse beiden gleichermaßen zu. Unter diesen Vorzeichen kam ein Spiel zustande, das von Zeit zu Zeit jede Mannschaft in die Nähe des Sieges rückte. Während die Abtswinder von ihrer Balldominanz lebten, fokussierte sich Kitzingen auf Überraschungsmomente. „Wer die Hundertprozentigen nicht macht, darf sich über das Ergebnis nicht wundern“, fand Petr Skarabela. „Wir hätten das Spiel schon in der ersten Halbzeit entscheiden müssen.“ Sätze wie diese hat Abtswinds Trainer in dieser Saison schon öfters sagen müssen. Als seine Elf vom Anstoß weg zwanzig Minuten das Kitzinger Tor umstellte, waren die Möglichkeiten zur Führung mehrmals vorhanden: Jürgen Endres Fernschuss strich knapp vorbei (7. Minute), Carl Murphy und Steffen Barthel trafen hintereinander den Pfosten (19.), Pascal Kamolz verzog trotz mangelnder Bewachung (20.).
Die Kitzinger hatten sich dagegen mit einer Fünf-Mann-Defensive gerüstet. Wenn sie selbst den Ball antrieben, verstärkten die Außenverteidiger das Mittelfeld. So wurde aus einer 5:3:2-Formation ein 3:5:2. Im ersten Durchgang schafften es die Hausherren aber nur selten ganz weit nach vorne. Einmal brach Shawn Hilgert durch und prüfte Schlussmann Florian Warschecha (23.), bevor Levi Wendel den Ball an die Latte knallte (24.). Minutenlang blieb Abtswind in Unterzahl, nachdem sich Carl Murphy eine Fleischwunde am Augenschlitz zugezogen hatte. Masseur Johann Schäfer gelang es, die Blutung zu stoppen. Abtswind unternahm weitere Angriffe auf das gegnerische Gehäuse, doch auch nach Nicolas Wirschings Kopfball und Steffen Barthels Freistoß blieb es torlos. „Solange es 0:0 steht, bleibt jeder Gegner gefährlich“, stellte Petr Skarabela fest, der allerdings auch sah, wie seine Mannschaft nach dem Seitenwechsel auf den Führungstreffer drängte.
Dreißig Sekunden nach Wiederbeginn lief Jürgen Endres in die Spitze, hob über Torhüter Florian Nöth und verfehlte das Ziel um ein paar wenige Zentimeter. Endres war es auch, der einen gewaltigen Schuss aus dem Fuß holte und von Christopher Lenhart geblockt wurde (50.). „Wir hatten nach der Pause riesiges Glück“, erkannte Kitzingens Trainer Frank Wettengel. Spätestens jetzt war klar: Abtswind benötigte wieder einmal zu viele Chancen. Trainer Skarabela beschlich ein ungutes Gefühl. „Unsere Nachlässigkeit im Abschluss hätte sich beinahe gerächt“, sagte der 48-Jährige. „Doch das wäre ungerecht gewesen.“ Sein Team suchte die Entscheidung mit Vehemenz und vergaß dabei fast die Defensive. Der schnelle Kitzinger Ahmed Bakare sorgte für Entlastungsangriffe. Mal zog er aus der Ferne ab und ließ Florian Warschecha einen Hechtsprung vollführen (74.), dann initiierte er einen Konter für Mario Schmidt. Der eingewechselte Angreifer der Gastgeber lief auf das Tor zu, doch als Warschecha sich ihm in den Weg stellte, schob er das Leder neben den Pfosten (80.). Bemerkenswert in der Hitze des Gefechts bei sommerlich-sonnigen dreißig Grad: Die überschaubare Zahl der Fouls und lediglich zwei Gelbe Karten – eine auf jeder Seite – machten das Derby zu einem Treffpunkt der Fairness. Der Fußballverband hatte mit Thomas Stein einen Schiedsrichter von Format geschickt: Der 34-Jährige aus dem Spessart leitete bereits Spiele in der dritten Liga und ist Assistent in der Bundesliga.
Michael Kämmerer
Das Spiel in der Statistik
Bayern Kitzingen: Florian Nöth – Phillip Schlarb, Florian Gaubitz (78. Manuel Kutz), Christopher Lenhart, Felix Straßberger, Fabio Feidel – Levi Wendel, Jannik Feidel, Ahmed Bakare – Shawn Hilgert, Niko Pfaffendorf (72. Mario Schmidt).
TSV Abtswind: Florian Warschecha – Michael Herrmann (60. Frank Hartlehnert), Nicolas Wirsching, Adrian Graf, Carl Murphy – Jürgen Endres, Jonas Wirth, Thilo Wilke, Przemyslaw Szuszkiewicz – Steffen Barthel (82. Jörg Otto), Pascal Kamolz (66. Peter Mrugalla).
Schiedsrichter: Thomas Stein (Weibersbrunn); Assistenten: Matthias Rehm (Würzburg), Stefan Kuffer (Obergünzburg).
Zuschauer: 368.
Gelbe Karten: Phillip Schlarb (Kitzingen); Carl Murphy (Abtswind).
Stimmen zum Spiel
Petr Skarabela (Trainer TSV Abtswind): „Wir wollten unsere kleine Negativserie stoppen, aber nicht mit einem Unentschieden. In der ersten Halbzeit hatten wir drei riesige Chancen, nach der Pause innerhalb von wenigen Minuten dasselbe. Das hätte wieder einmal für zwei Spiele gereicht. Am Ende müssen wir froh sein, dass die Kitzinger einen Konter am Tor vorbeischießen. Solange es 0:0 steht, bleibt jeder Gegner gefährlich. 75 Minuten haben wir alles probiert, Siegeswillen gezeigt und waren die bessere, aktivere Mannschaft. Danach haben wir mit Ballverlusten den Gegner aufgebaut. Für uns ist das 0:0 zu wenig, genauso wie für Kitzingen. Das bringt keinen weiter. Positiv werte ich, dass wir zu Null gespielt haben. Negativ ist, dass wir zwei Punkte liegen gelassen haben. Dass der Gegner mit einer Fünferkette gespielt hat, hatte vom System keinen Einfluss auf unser Spiel.“
Frank Wettengel (Trainer Bayern Kitzingen): „Wir mussten defensiv etwas tun, alle mussten mitarbeiten. Unsere Informationen waren, dass Abtswind ein extremes Pressing mit bis zu fünf Akteuren spielt. Hier wollten wir ansetzen. Deshalb war meine Idee, eine Fünferkette aufzubieten und gleichzeitig eine zusätzliche Anspielstation im Spielaufbau zu schaffen, um die Abtswinder Lücken zu nutzen. Überrachend fand ich, dass Abtswind nicht so extrem presste wie erwartet. Unser Plan hat in der ersten Hälfte über weite Strecken gut funktioniert. Auch in der letzten Viertelstunde hatten wir richtig Power und waren entschlossen. Doch für den ordentlichen Konter fehlte uns das Selbstvertrauen. Da machte sich bemerkbar, dass wir zuletzt viermal am Stück verloren hatten. Mit unserer Leistung bin ich sehr zufrieden, auch dass wir nicht verloren haben. Dennoch bringt das Unentschieden beide Mannschaften nicht weiter.“
Michael Herrmann (Kapitän TSV Abtswind): „In der ersten Halbzeit waren wir richtig gut im Spiel, mussten das 1:0 schießen. Aber nachdem Kitzingen in den letzten zwanzig Minuten einige Bretter hatte, geht das Ergebnis in Ordnung. Wir haben den Gegner trotz unserer Chancen am Leben gelassen. Das hätte auch schiefgehen können. Wir haben zu häufig durch die Mitte gespielt, zu hastig agiert. Die Fünferkette der Kitzinger war nicht das größte Problem. Dadurch hatten wir viel Raum im Mittelfeld. Leider hat uns der Ballbesitz nichts gebracht. In der Vergangenheit waren die Derbys immer enge Spiele, so auch heute. Die eine entscheidende Situation hat es diesmal nicht gegeben. Der eine Punkt ist zu wenig. Nach zwei Niederlagen ist eine gewisse Unsicherheit fast normal. Die Liga ist sehr ausgeglichen. Man darf sich nicht so viele Ausrutscher erlauben wie wir. Wir sollten Demut zeigen und uns auf die nächsten Spiele konzentrieren, statt an die Platzierung am Saisonende zu denken.“
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