Mit vier Treffern schießt sich der Angreifer den Frust von der Seele
TSV Abtswind – TSV Kleinrinderfeld 9:3 (5:2)
Die Spiele des TSV Abtswind liefern diese Saison des Öfteren Spektakel. 5:0, 8:1, 9:2 – kein Wunder, dass die Truppe von Trainer Petr Skarabela für ihre Offensive gefürchtet ist. Das jüngste 9:3 gegen den TSV Kleinrinderfeld passte nur zu gut in dieses Bild und erinnerte obendrein an manches kuriose Ergebnis aus der Vorbereitung. Schon in den Testspielen war dem Übungsleiter gallig aufgestoßen, wenn sein Team drei, vier oder gar sechs Gegentreffer kassierte. Das durfte nicht angehen.
Es überraschte kaum, dass Petr Skarabela nach der Partie am Samstag ziemlich hin- und hergerissen war. „Wir lieben Offensivfußball. Das ist schön“, sagte der 49 Jahre alte Tscheche. „Doch die Defensive gehört nun mal auch dazu.“ So kam es, dass Abtswind selbst mit zwei, drei Toren in Führung sich seiner Sache nicht sicher sein konnte. Zu fahrig wirkte die Abwehr, zu oft stießen die flinken Kleinrinderfelder Angreifer in die Gefahrenzone. Adrian Graf, gerade von einem dreiwöchigen Asientrip zurück, saß erkältet am Spielfeldrand und musste zusehen, wie die Kollegen dem Gegner zu viele Freiheiten ließen. Der Verteidiger hatte vor der Winterpause großen Anteil, dass das Abwehrzentrum sich zu einem schwer überwindbaren Bollwerk formierte. Erst machte Abtswind die linke Seite nicht dicht, dann durfte Sandro Kramosch auf Mario Christ ablegen. Der Schuss aus der Halbdistanz passte exakt und landete vom Innenpfosten im Netz (4. Minute). Rückkehrer Irnes Husic im Tor konnte sich in seinem ersten Heimspiel strecken, wie er wollte.
Nach dem mageren 2:2 gegen Röllbach in der Vorwoche war das der nächste Schlag, der ein ungutes Gefühl hinterließ. Doch als Spitzenmannschaft versteht es Abtswind, mit Rückständen umzugehen. Das Team fand Mittel und Wege, sich in Szene zu setzen. Michael Herrmann unternahm Ausflüge auf rechts bis vor das Kleinrinderfelder Gehäuse. Bei den Toren halfen die Gäste allerdings kräftig mit. Philipp Günder verlor den Ball im Spielaufbau an Steffen Barthel. Die Belohnung für das energische Pressing war der Ausgleich durch Pascal Kamolz (21.). Augenblicke später ließen die Kleinrinderfelder den Stürmer bei einem weiten Einwurf Carl Murphys aus den Augen. Kamolz’ Heber senkte sich zur Führung in die Maschen (22.). Die gleiche Konstellation besorgte gleich darauf schon das 3:1. Murphy auf Kamolz, und der bog nicht nur das Spiel um, sondern vollbrachte innerhalb von drei Minuten einen Hattrick. So sehr einen der Abtswinder Sturm und Drang freute, so sehr bereitete das Abwehrverhalten Kopfzerbrechen. Die punktgleichen Gäste, die nach dem 2:2 gegen Forchheim und dem 3:0-Erfolg über Karlburg Selbstvertrauen getankt hatten, steckten längst nicht auf. Sandro Kramosch kombinierte sich mit Silas Krebelder scheinbar mühelos durch die Abtswinder Hintermannschaft. Der Anschlusstreffer zum 2:3 war die Folge (31.).
Was andere Spiele in neunzig Minuten nicht bieten, schaffte dieses Aufeinandertreffen bereits im ersten Durchgang. Pascal Kamolz (im Bild) war einfach nicht in den Griff zu kriegen. Der 30-Jährige schraubte seine persönliche Saisonbilanz in nur einem Spiel von sieben auf elf Treffer und schoss sich den Frust von der Seele, der sich in den Spielen ohne Fortune aufgebaut hatte. Beim 4:2 besaß er die Abgeklärtheit, Torhüter Pascal Krämer den Ball durch die Beine zu schieben. „Ich gönne Pascal die vier Tore ganz besonders“, sagte Trainer Skarabela in der Hoffnung, dass sein Angreifer in der Restsaison noch einmal zur Hochform aufläuft und womöglich die entscheidenden Impulse im Rennen um den Aufstieg setzt. Kleinrinderfeld scheint dem einstigen Torschützenkönig der Bayernliga besonders zu liegen: Bereits in den Jahren zuvor hatte Kamolz für Abtswind fleißig gegen den Klub aus dem Würzburger Land getroffen, fünf Mal insgesamt. Die Hausherren mussten dankbar sein, dass der Gegner sich in der Deckung noch mehr Schwachstellen leistete als sie selbst. Auch Schlussmann Krämer blieb nicht verschont, als er einen Murphy-Kopfball durch die Finger gleiten ließ und Nicolas Wirsching nachsetzte, um das Leder in den Kasten zu stochern.
„Abtswind hat unsere Fehler gnadenlos ausgenutzt“, stellte Kleinrinderfelds Trainer Hans-Jürgen Meyer fest. In Abtswind fehlte der erkältete Kapitän Simon Sommer. „Ohne ihn, der zuletzt so überragend war, hatten wir keine Stabilität in der Abwehr.“ Es ist nichts Neues, dass sich Kleinrinderfeld hinten schon mal den ein oder anderen Aussetzer leistet. Dafür verfügt das Team über reichlich Offensivkraft, wie Silas Krebelder keine zwei Minuten nach dem Wiederanpfiff zeigte, als er frei vor Irnes Husic auf 3:5 verkürzte. Doch was das Team, das immerhin auf Rang fünf steht, in der Verteidigung ablieferte, war dann doch zu chaotisch. Bei den vier Toren von Michael Herrmann, Jona Riedel, Przemyslaw Szuszkiewicz und Philipp Hummel, die zum 9:3 führten, gab es kaum noch Gegenwehr. Die fiel bei der Aktion von Marcel Dietz für einen Moment umso heftiger aus. Von hinten grätschte er Jona Riedel in die Beine und sah dafür berechtigt die Rote Karte (87.). Kleinrinderfelds Paradestürmer Peter Endres, der in der Vergangenheit einige Male bei den Abtswindern Angst und Schrecken verbreitet hatte, schaute neunzig Minuten von der Bank aus zu. Ihn plagten nach einer Erkältung muskuläre Probleme. „Es hatte wenig Sinn, ihn nach dem Spielverlauf für 25 Minuten zu bringen“, erklärte Hans-Jürgen Meyer. Er schonte den Angreifer lieber für die kommende Partie gegen Höchberg. Für Abtswinds war alles noch einmal gutgegangen. Ohne die drei Zähler wäre der Anschluss an die Spitzengruppe vermutlich endgültig abgerissen. „Wir müssen unsere Defensive verbessern“, sagt Petr Skarabela mit Blick auf die verbleibenden elf Spiele. Kommenden Samstag geht es zum Tabellenletzten nach Kahl.
Michael Kämmerer
Das Spiel in der Statistik
TSV Abtswind: Irnes Husic – Michael Herrmann, Daniel Hämmerlein, Sven Gibfried, Przemyslaw Szuszkiewicz – Jürgen Endres, Philipp Hummel, Nicolas Wirsching (86. Jonas Wirth), Carl Murphy (74. Jona Riedel) – Pascal Kamolz (61. Peter Mrugalla), Steffen Barthel.
TSV Kleinrinderfeld: Pascal Krämer – Kevin Engert, Manuel Jäger, Philipp Günder (46. Marcel Dietz), Joshua Heberlein – Magnus Rentzsch, Tim Schlachter, Benedikt Engert, Mario Christ (81. Brian Vincent), Sandro Kramosch – Silas Krebelder.
Schiedsrichter: Dominik Fober (Herrieden); Assistenten: Niels Venus (Weißenbronn), Werner Lutz (Geslau).
Zuschauer: 150.
Gelbe Karten: Philipp Hummel (Abtswind); Kevin Engert, Mario Christ, Tim Schlachter, Magnus Rentzsch (Kleinrinderfeld).
Rote Karte: Marcel Dietz (Kleinrinderfeld, 87., grobes Foulspiel).
Tore: 0:1 Mario Christ (5.), 1:1 Pascal Kamolz (21.), 2:1 Pascal Kamolz (22.), 3:1 Pascal Kamolz (24.), 3:2 Sandro Kramosch (31.), 4:2 Pascal Kamolz (37.), 5:2 Nicolas Wirsching (40.), 5:3 Silas Krebelder (47.), 6:3 Michael Herrmann (68.), 7:3 Jona Riedel (80.), 8:3 Przemyslaw Szuszkiewicz (85.), 9:3 Philipp Hummel (90.).
Stimmen zum Spiel
Petr Skarabela (Trainer TSV Abtswind): „Es ist trotz der neun Tore nicht alles super. Ich bin nicht zufrieden, wie das Spiel gelaufen ist. Es kann nicht sein, dass das Spiel zur Pause mit 5:2 noch nicht entschieden war. Jede andere Mannschaft hätte längst aufgegeben gehabt. Doch wir haben es dem Gegner zu einfach gemacht. Für mich ist das total unverständlich. Wir haben zu viele Fehler gemacht und zu viele Tore kassiert. Das darf in der Landesliga nicht passieren. Wer vorne mitspielen will, muss das abstellen. Denn der Aufstieg wird in der Defensive entschieden. Ich wollte, dass meine Mannschaft das Spiel bestimmt und der Gegner nichts zusetzen kann. Das war leider nicht der Fall. Der Gegner war stark, gerade vorne mit den schnellen Leute, aber Kleinrinderfeld hat sich selbst geschlagen, als Pascal Kamolz in kurzer Zeit vier Tore erzielt hat. Das Wichtigste in unserem Spiel war, dass vorne alles gutgegangen ist. Hinten hatten wir Probleme. Meine Gefühle sind deshalb zwiegespalten.“
Hans-Jürgen Meyer (Trainer TSV Kleinrinderfeld): „Es ist eine schwere Bürde, wenn man mit 3:9 untergeht. Mit einem 3:6 hätte ich vielleicht leben können. In mir brodelt es. Ich muss aufpassen, dass ich mich nicht in Rage rede. Das Spiel war schmerzhaft, aber auch sehr lehrreich. Wir haben konzentriert begonnen und sind durch einen schönen Spielzug in Führung gegangen. Es ist unbegreiflich, wie einfach wir es danach dem Gegner gemacht haben. Wenn ein Stürmer in kürzester Zeit vier Tore schießt, muss man in der Abwehr etwas absolut verkehrt gemacht haben. Wir haben uns in der Innenverteidigung wie eine Schülermannschaft benommen. Ohne Kapitän Simon Sommer fehlte hinten die Stabilität. Wir sind ein hohes Risiko gegangen, weil Philipp Günder nicht vollständig fit war. Dadurch die Abwehrfehler haben wir uns das ganze Spiel kaputt gemacht. Wir sind hier in der Landesliga. Da hat man nicht die Zeit, um bis Fünf zu zählen. Das war eindeutig des Schlechten zu viel.“
Irnes Husic (Torhüter TSV Abtswind): „Als Torwart will ich zu Null spielen. Unsere neun Tore waren mega. Die drei Gegentreffer ärgern mich trotzdem ungemein, zumal wir vergangene Woche schon zwei bekommen haben. Leider sind die Situationen auch diesmal aus dem Nichts entstanden, weil unsererseits Fehler vorausgegangen sind. Die müssen wir schleunigst abstellen. Offensiv kann es nicht viel besser laufen. Da hat man gesehen, welches Potenzial in der Mannschaft steckt. Ich will mir und der Mannschaft beweisen, dass der Trainer die richtige Entscheidung getroffen hat, mich zur neuen Nummer eins zu machen. In der Vorbereitung gab es einen Zweikampf um den Stammplatz. Die Konkurrenz tut gut. Am Ende hatte ich die Nase. Ich bin bei meiner Rückkehr nach Abtswind im Winter sehr herzlich empfangen und aufgenommen worden. Es hat sich in den zweieinhalb Jahren, in denen ich weg war, nicht viel verändert. Schon damals gab es kaum Mannschaften, die spielerisch besser waren als wir.“
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