„Berch“ und „Abschwinn“ trennen sich torlos
TSV Abtswind II – TSV Bergrheinfeld 0:0
Bergrheinfelds Abteilungsleiter Fußball bezeichnet die Kreisliga SW 1 als „komplett verrückt“. Aufgrund der Enge im Feld, den kurzen Abständen zwischen Spitzengruppe und Abstiegszone, zudem ständig überraschende Spieltagsergebnisse die einzig mögliche, angemessene Titulierung. Heute treffen Zwei aufeinander, die bereits für ein weiteres Jahr „Kuriositätenkabinett“ planen können, was gerade die Gäste zufrieden stellt.
In den letzten vier Jahren Landesliga, Bezirksliga und Kreisliga kämpften die „Bercher“ jeweils bis Saisonende um den Klassenerhalt. Vor der aktuellen Spielzeit verjüngte man den Kader ein weiteres Mal radikal mit gut ausgebildeten, hungrigen Akteuren aus der eigenen Jugendabteilung. Die kurzfristigen Projektziele sind erreicht. Ab sofort kann man sich neue Ziele stecken, das junge Team reifen lassen. In jedem Fall erwartet man eine offensiv ausgerichtete Bergrheinfelder Elf, was mit Abstrichen so vollkommen an der Realität vorbei segelt. „Man muss immer sehen, welche Leute hat man zur Verfügung, wie haben sie unter der Woche trainiert und, und, und“, gibt Wolfgang Hau zu bedenken. Seit drei Jahren Chef der ersten Garde des TSV Bergrheinfeld nutzt der erfahrene Coach den unverhofft frühen Klassenerhalt für kontrolliert dosierte Experimente. „Gerade im Hinblick auf die neue Runde möchte man ja immer mal etwas ausprobieren. Okay, stehen wir heute halt mal ein wenig tiefer, als sonst.“
Abtswind startet mit flüssigem Kombinationsspiel. „Richtig stark, wie Abtswind mit den genauen Verlagerungsbällen Räume geschaffen hat“, meint Wolfgang Hau. Es geht viel über die Außenpositionen, über den pfeilschnellen Julian Beßler oder seinem Gegenüber Mladen Grujic, der nach etwa 10 Minuten auf Andreas Herrmann ablegt. Den folgenden, satten Flachschuss begräbt Gästekeeper Florian Mueller reaktionsschnell unter sich. Wenig später küsst Mladen Grujics Schienbeinschoner Dropkick den linken Außenpfosten. Langsam, allmählich nähert sich Abtswinds Offensivfraktion an. Bisweilen kompliziert, dann wieder überraschen schnörkellos überwindet die Elf von Trainer Velibor Teofilovic die doppelte Viererkette der defensiv kompakt stehenden Gäste. Kleines Beispiel für eine um viele unnötige Stationen reduzierte Angriffsstafette: Abschlag durch Abtswinds Keeper Irnes Husic an das Eck, wo sich Mittellinie und Außenbande zum trauten Stelldichein verabreden. Patrick Hock nlupft genau in den Lauf des durchgestarteten Janek Wendt. Als letztes verbliebenes Bollwerk eilt Bergrheinfelds Schlussmann Florian Mueller aus seinem Kasten, verkürzt den Winkel und wird prompt überlupft. Doch dieser Kunstschuss segelt auch übers leere Tor hinweg ins Fangnetz.
Im direkten Gegenzug setzt Julian Konrad ein dickes Ausrufezeichen. Sein platzierter Gewalthammer aus gut und gerne 20 Metern Tordistanz (freie Schussbahn, ablandiger Wind, die Frisur sitzt) streichelt liebevoll Abtswinds Quergebälk. Ja, neben Rasenschach vom Feinsten bietet die erste Hälfte seltene, dafür umso spannendere Offensivaktion, was sich nach dem Seitenwechsel dramatisch ändert. Im Hinblick auf Strafraumszenen verflacht die Partie. Wie sagt der Volksmund so treffend? „Beide Seiten egalisieren sich bereits beim Gang auf die Toilette!“
Mit einigen Oh´s und Ah´s getragen, streicht Andy Herrmanns Schlenzer mit dem linken Schlappen getreten knapp am langen Pfosten vorbei. Im direkten Gegenzug klärt Abtswinds Außenverteidiger Markus Golombek vor dem einschussbereiten Bercher Goalgetter Florian Streng. Chancen im Viertelstundentakt, was einen Mozart nicht ernsthaft vom Cembalo lockt. Die Partie lebt von taktischen Aspekten, von Kampf, Leidenschaft, bissigen Zweikämpfen und gelegentlichen Ausflügen in den gegnerischen Strafraum.
Als sich alles bereits auf den Schlusspfiff freut, man sich wechselseitig mit dem 0:0 arrangiert (mit 90 Minuten Vorlauf, um sich daran zu gewöhnen, kein echtes Kunststück), da fischt Abtswinds Schlussmann reaktionsschnell einen verdeckt abgegebenen strammen Strahl von Felix Kilian aus dem Torwinkel. „Das Ding hatte ich schon drin gesehen“, gibt Abtswinds Co-Trainer nach Abpfiff zu. „Einen solchen Rückhalt braucht man, sonst erbt man nicht viel.“ Auch Wolfgang Hau hadert etwas mit der Großchance seiner Jungs, die wohl das Spiel entschieden hätte. Insgesamt überwiegt beim Gästetrainer in rundum zufriedenes Bauchgefühl: „Solche Spiel gefallen mir. Weißt, wenn das vom Taktischen so geprägt ist, wie es heute der Fall war, da benutze ich mal das Wort geil.“ So trennt man sich nach einer intensiven Kreisligapartie torlos, schiedlich, friedlich.
Das Schlusswort gehört Frank Hufnagel, Co-Trainer der Abtswinder Landesligareserve: „Im großen und ganzen muss man heute mit dem torlosen Unentschieden zufrieden sein. Einziger negativer Aspekt: Wir haben halt kein Tor geschossen.“
Matthias Ley
Das Spiel im Überblick:
TSV Abtswind II: Irnes Husic – Markus Golombek, Christoph Kniewasser, Daniel Kaminski, Michael Rügamer – Eric Köhler, Janek Wendt – Andreas Herrmann, Mladen Grujic, Julian Beßler – Aljoscha Keßler. Einwechselspieler: Patrick Hock, Johannes Knorr, Christph Hofmann, Velibor Teofilovic.
TSV Bergrheinfeld: Florian Mueller – Felix Baum, Moritz Baum, Fabian Goeller, David Roesch – Tobias Rudloff, Julian Pfister, Christian Edelmann, Felix Kilian – Florian Streng, Julian Konrad. Einwechselspieler: Jens Hart, Michael Meyhofer, Florian Walter.
Schiedsrichter: Dominik Kraus
Zuschauer: ca. 70
Gelbe Karten: Michael Rügamer, Aljoscha Keßler (Abtswind II) – Tobias Rudloff (Bergrheinfeld)
Die Stimmen zum Spiel:
Frank Hufnagel (Co-Trainer TSV Abtswind II): „Wir haben Bergrheinfeld zu null gespielt. Das ist schon mal positiv. Super wäre es gewesen, wenn wir eine der vielen Chancen genützt hätten. Ein 0:0 der besseren Art, wobei wir eigentlich hätten gewinnen müssen. Defensiv haben wir kaum etwas zugelassen mit einem bärenstarken Christoph Kniewasser. Allerdings hält auch Irnes Husic bei diesem Gewaltschuss kurz vor Schluss sensationell die Null fest. Das Ding hatte ich schon drin gesehen. Im großen und ganzen muss man heute mit dem torlosen Unentschieden zufrieden sein. Einziger negativer Aspekt: Wir haben halt kein Tor geschossen.“
Wolfgang Hau (Trainer TSV Bergrheinfeld): „Solche Spiel gefallen mir. Weißt, wenn das vom Taktischen so geprägt ist, wie es heute der Fall war, da benutze ich mal das Wort „geil“. Das habe ich auch meiner Mannschaft gesagt. Da kann man unwahrscheinlich viel mitnehmen, lernen, was man sich als Trainer natürlich in vielen anderen Spielen genauso wünscht. In den ersten Spielen seit der Winterpause hatten wir immer die identische Mannschaft beieinander. Irgendwann geht das nicht mehr, wie man zuletzt gegen Schleerieth und gegen Egenhausen gesehen hat. Keine Wechsel, kaum Personal, das hatte ich in meiner bisherigen Zeit beim TSV Bergrheinfeld noch nie. Heute hatte Abtswind klar mehr Spielanteile. Wir hingegen haben einige aussichtsreiche Gelegenheiten liegen gelassen, wo der letzte Pass ins Nichts ging oder schlampig abgespielt wurde. In der zweiten Hälfte habe ich auch nicht diese Masse an zwingenden Torchancen für Abtswind gesehen. Da standen meine Jungs besser und konnten phasenweise sogar die Partie dominieren.“
Mladen Grujic (Spieler TSV Abtswind II): „Es ist doch immer dieselbe Leier. Über weite Strecken der Partie sind wir besser, dominieren, lassen den Ball gut laufen und vorne kriegen wir die Kugel nicht unter. Was nützt dir die ganze optische Dominanz, wenn nichts Zählbares dabei herausspringt? Auch heute hatte ich wieder einige gute Chancen und lasse die liegen. Kurz vor Schluss bedient mich Velibor Teofilovic, doch ich bekommen nicht die notwendige Kraft in den Schuss. Mit etwas mehr Schmackes wäre der drin gewesen. Wir machen zu wenig aus unseren Möglichkeiten.“
Heute ausnahmsweise ohne seinen kongenialen Partner
Christoph Hofmann in der Innenverteidigung unterwegs: Christoph Kniewasser