„Man hatte nicht den Eindruck, als verfolge Grafenrheinfeld irgendein Ziel.“
TSV Grafenrheinfeld – TSV Abtswind II 1:0 (1:0)
Underdogs bleiben unangenehm. Die wollen dir den Spaß am eigenen Spiel verderben. Wenn man von einem Trauma sprechen kann, dann von Abtswinds Scheu vor einem tabellarisch tief angesiedelten Kontrahenten. Seit Jahren endet dieser Vergleich mit einem krassen Dämpfer. Patrick Gnebner resümiert lakonisch :„Das Abtswinder Sozialamt lässt grüßen!“ Ein krasser Torwartpatzer, sowie erneut eine Ampelschaltung lotsen Grafenrheinfeld auf die Siegerstraße.
Die erste Halbzeit plätschert ungewöhnlich emotionslos vor sich hin. So lethargisch, ein bisschen langsam, ein Stück weit A-Klasse-Kick mit dem Unterschied, dass die Akteure etwas besser mit dem Ball umgehen können, dies aber nicht taten. Ohne große Szenen, wenn man von Eduard-Alin Wellmanns Torwartpatzer zum 1:0 einmal absieht. Der zweite Durchgang genau das Gegenteil: Hüben wie drüben alle zwei Minuten eine Hundertprozentige Torchance. Grafenrheinfelds Trainer Klaudiusz Mroczek erklärt sich das so: „Das war unserer überraschenden Führung geschuldet. Abtswind wollte unbedingt den Dreier. Noch dazu beim Tabellenletzten. Irgendwann mussten die Gäste hinten aufmachen und wir standen clever und haben schnell gekontert. Das war auch meine Vorgabe heute.“
„Das kann ich voll unterschreiben“, meint Patrick Gnebner. Abtswinds Spielertrainer laboriert noch an einem hartnäckigen Muskelfaserriss. „Emotionsloser Beginn. Der Gegner hat sich heute nichts ausgerechnet, hat sich mit Fünferkette und vorgelagerter defensiv ausgerichteter Dreierkette hinten rein gestellt. Man hatte nicht den Eindruck, als verfolge Grafenrheinfeld irgendein Ziel.“
Bei Abtswind weiß man nie, welcher Mannschaft man gegenübersteht. „Ihr habt ja alle Möglichkeiten“, lächelt Mroczek als Antwort ins Diktiergerät. Hier prallen diametral unterschiedliche Ambitionen aufeinander. „Eine kompakte Defensive war die einzige Möglichkeit, heute zu bestehen.“ In den ersten 45 Minuten gelingt dies nicht immer. Nach Doppelpass mit Markus Schamberger bleibt Markus Golombeks Torabschluss an einer Schuhspitze hängen. Nach dynamischer Vorarbeit zieht Markus Schamberger platziert ab. Und findet in Grafenrheinfelds Keeper Michael Warmuth einen würdigen Gegner.
Die wenigen Offensivszenen übertünchen lässige Abspielfehler im Mittelfeld. Der Mannschaftsteil, in dem Grafenrheinfeld präsenter ist als die Gäste, und so auch immer wieder zu Abschlüssen kommt. Und irgendwann zimmert Pascal Hornung auch einmal aufs Abtswinder Tor. Seltsam zu beobachten, so ein Flatterball, um den Gegenspieler herum gezirkelt, wie es sich zudem anfühlt, wenn man diesen durch die Hosenträger bekommt. Kurz vor dem Seitenwechsel netzt Jona Riedel ein. Diesem Treffer wird aufgrund einer fragwürdigen Abseitsstellung die Anerkennung verweigert.
Also auf hinein in einen abwechslungsreichen, viel dynamischeren zweiten Durchgang. Vom Anpfiff weg drücken die Gäste auf den Ausgleich. Grafenrheinfelds Keeper steht voll unter der Höhensonne, bekommt ein Ding nach dem anderen serviert. Patrick Gnebner schildert diese hoch spannende, zweite Hälfte: „Nach dem Wechsel gehen wir aggressiver gegen den Ball, kommen vor allem über die Flügel vors Tor und zu wirklich schönen Abschlüssen. Wir schießen den Torwart an oder einen anderen Spieler, dann treffen wir den Ball nicht gescheit. Da war alles dabei. Dann kriegst du eine gelbrote Karte, die deine Chancen zusätzlich schmälern. Danach lässt Grafenrheinfeld reihenweise hundert- bis tausenprozentige Chancen liegen und hält dich so im Spiel. Zum Ende hin, mit einem Mann in Unterzahl, hast du einfach kaum eine Möglichkeit, die Partie in deine Richtung zu lenken. Obwohl wir auch nach dem Platzverweis einige Chancen hatten, auszugleichen.“
Nach einem taktischen Foul sieht Daniel Kaminski in der 54. Minute zurecht die gelbe Karte. Wenige Minuten später geht es wieder einmal in direkte Tuchfühlung mit der Nummer 77. Ein Phantom kegelt Abtswinds Kapitän aus der Partie. Ein Spieler, der auf dem offiziellen Spielberichtsbogen nicht erscheint, grätscht Kaminski den Ball ab und erwischt ihn dabei mit dem ausgefahrenen Arm in Regionen, die eine Lebensabschnittsgefährtin für sich beanspruchen darf. So etwas hat im Fußball nichts zu suchen. Der verbale Konter, unüberhörbar, führt hingegen zur zweiten gelben Karte. Auf Zuruf bemerkt selbst der Unparteiische, unter gewissen Umständen darf man mal nachsehen, ob man diesen Delinquenten bereits verwarnt hat. Also nochmal den gelben Karton in Coop mit dem karmesinroten Freund. In Ermangelung einer Klinsmannschen Gedächtnis-Sabyo-Werbetonne fliegt wenig später der Eiskoffer ins Eck.
Ein weiteres Thema bei Abtswind ist die aktuelle, prekäre Personallage. Bereits in der Anfangsphase langt sich Robert Brenner, Abtswinds gerade erst genesener Trainer, an die linke Arschbacke. „Beim Robert müssen wir mal schauen, wie lange er uns fehlen wird“, berichtet sein Kompagnon Patrick Gnebner. „Christoph Hofmann saß mit Muskelfaserriss im Bauchmuskelbereich auf der Bank. Den wollten wir nur im äußersten Notfall bringen. Michael Rügamer ist an der Schulter verletzt, muss wahrscheinlich demnächst operiert werden. Nichts desto trotz hätten wir das Ding heute an Land ziehen müssen. Aber vorne fehlte uns etwas die Durchschlagskraft.“
Die drei verschenkten Punkte tun weh. Mit einem Auswärtsdreier wollte sich Abtswinds Landesligareserve vor dem Schlager gegen Volkach in eine Topposition bringen. Und Klaudiusz Mroczek ergänzt: „Spielerisch war Abtswind bisher die stärkste Mannschaft, die gegen uns angetreten ist. Die Truppe wird ihren Weg gehen, keine Frage. Insgesamt muss man zugeben, dass die glücklichste Szene das Spiel entschieden hat.“
Matthias Ley
Das Spiel im Überblick:
TSV Grafenrheinfeld: Michael Warmuth – Simon Faulhaber, Sascha Gessner, Markus Pohli, Daniel Kasper, Stefan Baumgart, Daniel Riedmann, Manuel Rehl, Max Breitenbach, Niko Baumgart, Pascal Hornung. Einwechselspieler: Pascal Bernhardt, Daniel Pohli, Julian Binder, Pascal Miera, Florian Lindwurm.
TSV Abtswind II: Eduard-Alin Wellmann – Daniel Eberhardt, Tobias Holzberger, Robert Brenner, Lukas Wirth, Jona Riedel, Daniel Kaminski, Markus Golombek, Oliver Döring, Julian Beßler, Markus Schamberger. Einwechselspieler: Bojan Tatic, Christoph Hofmann, Patrick Hock, Johannes Primus.
Schiedsrichter: Moritz Freund
Zuschauer: ca. 100
Gelbe Karten: Stefan Baumgart, Pascal Hornung (Grafenrheinfeld) – Daniel Kaminski, Jona Riedel, Patrick Hock, Johannes Primus (Abtswind II)
Gelbrote Karte: Daniel Kaminski (61., Abtswind II, Foul und Meckern)
Tor des Tages: 1:0 Pascal Hornung (33.).
Die Stimmen zum Spiel:
Patrick Gnebner (Trainer TSV Abtswind II): „Mein Fazit 18 Sekunden nach dem Abpfiff? Katastrophe! Prinzipiell sind wir nicht schlecht gestartet. Trotzdem verlief der erste Durchgang seltsam emotionslos, ohne Aggressivität. Man hatte nicht den Eindruck, als verfolge Grafenrheinfeld irgendein Ziel. Wir hatten oft den Ball, konnten uns allerdings keine hundertprozentigen Torchancen herausspielen. Zu Torraumszenen sind wir meist nach Standards gekommen, allerdings nicht, weil wir das so gut beherrschen, sondern weil der Gegner da einfach schlecht verteidigte. Das Gegentor, ein 25 Meter Distanzschuss, flattert leicht, geht auf die Kappe des Keepers. 25 Meter Distanzschuss, flattert leicht. Ist halt so. Dann rennst du gegen einen tief stehenden Gegner an, der sich natürlich noch mehr aufs Zerstören beschränkt. Nach dem Wechsel gehen wir aggressiver gegen den Ball, kommen vor allem über die Flügel vors Tor und zu wirklich schönen Abschlüssen. Wir schießen den Torwart an oder einen anderen Spieler, dann treffen wir den Ball nicht gescheit. Da war alles dabei. Dann kriegst du eine gelbrote Karte, die deine Chancen zusätzlich schmälern. Danach lässt Grafenrheinfeld reihenweise hundert- bis tausenprozentige Chancen liegen und hält dich so im Spiel. Zum Ende hin, mit einem Mann in Unterzahl, hast du einfach kaum eine Möglichkeit, die Partie in deine Richtung zu lenken. Obwohl wir auch nach dem Platzverweis einige Chancen hatten, auszugleichen. So verlierst du 1:0, wie du letzte Woche gegen Mühlhausen hättest 1:0 verlieren müssen oder können. “
Klaudiusz Mroczek (Trainer TSV Grafenrheinfeld): „Im ersten Durchgang standen wir sehr defensiv. Abtswind war offensiv eine Klasse besser. Wir haben aber gut verschoben, konsequent verteidigt und treffen irgendwann glücklich zum 1:0. Danach musste Abtswind anrennen und wir konnten unser Konterspiel aufziehen. Spielerisch war Abtswind bisher die stärkste Mannschaft, die gegen uns angetreten ist. Die Truppe wird ihren Weg gehen, keine Frage. Insgesamt muss man zugeben, dass die glücklichste Szene das Spiel entschieden hat. Mit einem Punkt wäre ich heute auch sehr zufrieden gewesen. Beide Mannschaften hätten den Sieg verdient gehabt.“
Auffälligster Akteur im Abtswinder Offensivverbund: Jona Riedel